Düsseldorf . Hat das mysteriöse Verschwinden von 155 CDs wirklich keine Auswirkungen auf das Strafverfahren? Der Staatsanwalt widerspricht Innenminister Reul.
Die verschwundenen Beweise im Missbrauchsskandal von Lügde sind offenbar doch nicht so bedeutungslos wie zunächst von NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) behauptet. Der Leitende Oberstaatsanwalt in Detmold stellte am Montag in einer Vorlage für den Landtag klar: „Soweit der Minister des Innern geäußert hat, das verschwundene Material oder der Verlust der Datenträger habe keine Auswirkungen auf das Strafverfahren, ist eine entsprechende Information durch die Staatsanwaltschaft Detmold weder erfolgt noch bestätigt worden. Es ist auch nicht bekannt, von wem eine solche Information stammt.“
Im Skandal um den jahrelang gefilmten Kindesmissbrauch auf dem Campingplatz „Eichwald“ in Lügde sind aus der zunächst für die Ermittlungen zuständigen Kreispolizeibehörde Lippe ein Alukoffer und eine Mappe mit insgesamt 155 CDs oder DVDs verschwunden. Sie wurden letztmals am 20. Dezember 2018 gesehen. Die Datenträger waren in dem Wohnwagen des Hauptverdächtigen sichergestellt worden. Nur drei der CDs wurden von der Polizei gesichert. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen Diebstahls gegen unbekannt.
Nur maximal fünf Prozent des Datenmaterials ist weg
Weil es sich bei den verschwundenen Beweisen nur um maximal fünf Prozent aller sichergestellten Daten handeln soll, hatte Reul deren Bedeutung für die Anklage der Campingplatz-Täter heruntergespielt. Am 21. Februar sagte der Innenminister vor Journalisten: „Das Einzige, was mich ein bisschen tröstet: Die Fachleute aus dem LKA sagen mir, dass das, was den Ermittlern in Bielefeld an sonstigen Beweisen vorliegt, für die Taten ausreichend ist. Mit anderen Worten: Die Tatverdächtigen in diesem Fall werden höchstwahrscheinlich auch ohne diese CDs oder DVDs überführt werden können, weil wir haben ja wirklich starkes Material, auch Filmmaterial.“
Inzwischen gibt es erhebliche Zweifel an der Darstellung. So warnten Juristen, dass die verschwundenen Asservate und der über Wochen unzureichend gesicherte Tatort auf dem Campingplatz der Verteidigung der Hauptbeschuldigten in die Hände spielen könnten. Das NRW-Innenministerium versucht derweil, die Aussage des Ministers so zu deuten, als habe er bloß die Hoffnung ausdrücken wollen, die verschwundenen CDs könnten im Verhältnis zur großen Menge weiterer sichergestellter Datenträger juristisch nicht ins Gewicht fallen.