Düsseldorf. . In Zeiten schlechter Umfragewerte für die SPD fordert der Ex-Minister Walter-Borjans Haltung. Es müsse deutlich werden, wofür die Partei steht.
Obwohl die SPD in Umfragen abstürzt, rät der frühere NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans (66) seiner Partei vom schnellen Ausstieg aus der großen Koalition ab. „Aus einer Koalition tritt man aus, wenn man vom Partner blockiert wird. Aber dazu kommt es oft gar nicht erst, weil wir von unseren Forderungen in vorauseilendem Gehorsam selber Abstand nehmen“, sagte Walter-Borjans dieser Redaktion.
Ein Beispiel sei die Forderung nach mehr Steuergerechtigkeit – ein Lieblingsthema des Ex-Ministers. In dessen Amtszeit hatte NRW Datenträger zu Steuersündern angekauft. Im Ruhestand schrieb der Politiker, kurz „Nowabo“ genannt, zuletzt ein Steuer-Buch („Der große Bluff“).
Mitglieder haben hohe Erwartungen an die SPD
Einen tiefen Graben zwischen der SPD-Führung und der Parteibasis will Walter-Borjans zwar nicht erkennen, die Erwartungshaltung der Mitglieder sei aber groß. „Wir schauen zu wenig auf das, was wir eben nicht gegen die Union durchsetzen konnten. Wir müssen auch sagen, was möglich wäre, wenn die SPD mehr als 20 Prozent hätte.“
Beim Beispiel der Steuergerechtigkeit erinnert er daran, dass vor der Bundestagswahl eine Steuerkommission verabredet worden sei, die bisher nicht getagt habe. Insgesamt stellt Walter-Borjans fest: „Das Versprechen der Parteiführung, das Profil der Sozialdemokratie auch über die Abarbeitung des Koalitionsvertrags hinaus erkennbar werden zu lassen, wurde bislang nicht eingelöst.“ CDU und CSU profilierten sich ständig – etwa wenn Wirtschaftsminister Peter Altmaier vorschlägt, dass Unternehmen 20 Milliarden Euro weniger Steuern zahlen sollen. „Das steht in keinem Koalitionsvertrag.“
Die SPD sei oft zu kleinlaut, findet der Ex-Minister
Gerade bei ihren Kernthemen sei die SPD zu kleinlaut. Die SPD habe in der GroKo viel auf den Weg gebracht, etwa den Mindestlohn, das Rückkehrrecht von Teilzeit in Vollzeit oder das Thema Rente. „Aber das betrifft immer nur einen kleineren Teil der Bevölkerung direkt. Wir müssen die große Geschichte erzählen.“ Viele Menschen hätten den Eindruck, dass ihr Leben weniger kalkulierbar sei als früher. „Sie sorgen sich um ihr Einkommen, um die hohen Mieten, um ihre Alterssicherung und die Zukunft ihrer Kinder“, zählt Walter-Borjans auf. „Die SPD steht dafür, das Leben der Menschen so kalkulierbar wie möglich zu machen, ohne den Eindruck zu erwecken, sie könne eine Rundumversicherung gewährleisten. Diese große Botschaft an die Gesellschaft insgesamt fehlt mir.“
Die Grünen lobt der Ex-Minister: Sie hätten bewiesen, dass sich Haltung auszahle. „Sie haben ihre Kernthemen, Natur- und Klimaschutz, Menschenrechte, nie aus Angst, damit anzuecken, aufgegeben.“ In NRW sind die Grünen bei der Landtagswahl abgestürzt, sie seien sich dennoch treu geblieben. „Wir in der SPD dürfen wachsende Ungleichheit nicht in den Hintergrund rücken, nur weil diese Themen gerade keine Konjunktur haben.“