Düsseldorf. . Tausende Asylverfahren warten noch auf Bearbeitung, die Justiz steht unter Druck. Richter klagen: „Wir arbeiten oft nur für den Papierkorb.“

Das Verwaltungsgericht (VG) Düsseldorf erhebt wegen der weiter hohen Zahl der zu bearbeitenden Asylklagen schwere Vorwürfe gegen den Bund und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf). Es werde trotz zusätzlichen Personals in der Justiz „noch Jahre dauern, den Berg der Asylverfahren abzubauen“, sagte Gerichtspräsident Andreas Heusch am Freitag. Gemessen an Arbeitsbelastung sei das Gericht „noch mitten im Herbst 2015“. Damals erreichte der Zustrom an Flüchtlingen seinen Höhepunkt.

Ende 2018 waren in Düsseldorf noch 8660 Asylverfahren anhängig, das sind 60 Prozent aller offenen Verfahren dort. Fast jedes zweite Verfahren braucht mehr als ein Jahr bis zur Erledigung. Verzögerungen treffen nicht nur Asyl-, sondern auch Gewerbe-, Bau- oder beamtenrechtliche Verfahren. Das VG Düsseldorf ist zuständig für die Landeshauptstadt, für Duisburg, Oberhausen und Mülheim sowie für die Kreise Wesel, Kleve und Neuss.

„Wir können nicht mal nach Belgien abschieben.“

Die Verwaltungsrichter übten Fundamentalkritik an der deutschen Flüchtlingspolitik. „Unsere Arbeit ist oft für den Papierkorb“, sagen sie. Obwohl nur rund 16 Prozent der Asylklagen ganz oder teilweise erfolgreich sind, würden abgelehnte Asylbewerber nur selten abgeschoben.

Nicht einmal in den so genannten Dublin-Verfahren, in denen Flüchtlinge zunächst in einem anderen EU-Land registriert wurden und dorthin zurückgeschickt werden sollen, gelinge häufig die Rückführung. „Nach der Entscheidung des Gerichts bleiben sechs Monate Zeit für die Abschiebung. Aber in 70 bis 80 Prozent der Fälle passiert das nicht. Wir schaffen es noch nicht einmal, jemanden von Aachen nach Belgien abzuschieben“, sagte Heusch.

Harte Kritik am Kirchenasyl

In Fällen von Kirchenasyl gebe es Geistliche, die sich zum Beispiel gegen eine Rücküberstellung nach Frankreich sperrten in der Annahme, dem Asylbewerber drohe dort Unheil. „Wenn wir das akzeptieren, ist es mit der EU nicht mehr weit her“, sagte Heusch und wettert: „Es steht den Kirchen nicht zu, staatliche Entscheidungen zu behindern.“ Asylbewerber, die aus muslimischen Ländern stammen und zum Christentum konvertieren, haben übrigens vor Gericht nur geringe Chancen, Abschiebeschutz einzuklagen. Nur 20 Prozent der Verfahren in Düsseldorf enden erfolgreich für die Konvertiten.

Der Gerichtspräsident und seine Stellvertreterin Nicola Haderlein fühlen sich auch vom Bamf im Stich gelassen. Die Behörde reagiere selten auf Einladungen aus Düsseldorf zur Prozessbegleitung. „Da kommt einfach keiner“, sagte Heusch. Weil die Unterlagen des Bamf über Asylbewerber in vielen Fällen oberflächlich seien, müsse das Gericht praktisch wieder bei null anfangen.

Zuletzt hatte auch das Oberverwaltungsgericht NRW in Münster auf die noch immer hohe Zahl von Verfahren hingewiesen.

„Das ganze Asylsystem funktioniert nicht.“

Das ganze Asylsystem funktioniere nicht, resümierte Heusch. Weder der Schutz der EU-Außengrenzen noch die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber in ihre Herkunfts- oder in andere EU-Länder. Heusch, der nach eigenen Angaben häufig mit Verfahren zu nigerianischen Asylbewerbern zu tun hat, wundert sich gerade bei Flüchtlingen aus diesem afrikanischen Land: „Aus Nord-Nigeria, wo die Terror-Miliz Boko Haram wütet, kommen nur wenige Flüchtlinge. Sie kommen aus dem Süden des Landes, wo keine politische Verfolgung stattfindet.“ Laut Nicola Haderlein nehmen weder Nigeria noch Iran und Irak geflüchtete Bürger wieder zurück. Ein gescheitertes Asylverfahren bleibe also folgenlos.