Düsseldorf. Der vermeintliche Hacker-Angriff auf die frühere NRW-Agrarministerin Schulze Föcking hatte sich als technischer Bedienungsfehler entpuppt.

Ein halbes Jahr nach ihrem Rückzug als NRW-Umweltministerin holte Christina Schulze Föcking (CDU) am Montag der angebliche Angriff von Kriminellen auf das Heim-Netzwerk ihrer Familie ein. Sie war die erste Zeugin im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss zur „Hacker-Affäre“. Die 42-Jährige Landtagsabgeordnete räumte ein, dass sie die Öffentlichkeit, zumindest aber die Spitzen der Landtagsfraktionen früher hätte darüber informieren können, dass es im März gar keine Attacke von Hackern auf sie und ihre Familie gab, sondern nur einen technischen Bedienfehler durch ihre 76-Jährige Mutter.

Einsam sitzt die Staatsministerin a. D. an einem Tisch in der Mitte des Sitzungssaals. Die Steinfurterin lächelt zu Beginn der U-Ausschuss-Sitzung in die Kameras. Aber dass dieser Moment, in dem sich nach monatelanger Ruhe wieder alle Augen auf sie richten, stressbeladen ist, wird klar, als sie gleich bei der ersten Frage des Vorsitzenden nach Namen, Beruf und Wohnort ins Stottern gerät.

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Von Tobias Blasius und Matthias Korfmann

Der Ausschuss soll Licht in einen Vorfall am Abend des 15. März im Privathaus der Schulze Föckings bringen und die Frage klären, ob die Staatskanzlei am 16. März in einer Pressemitteilung vorschnell einen Skandal anprangerte, den es nie gab. Von „offenkundig kriminellen Eingriffen in die Privatsphäre der Ministerin“ war die Rede. Und von „teilweise auch erfolgreichen Versuchen“, auf persönliche Daten der Politikerin zurückzugreifen. Offenbar ein Schnellschuss, wie in den Wochen danach immer deutlicher wurde.

Schulze Föcking zitiert aus obszönen Schreiben

Dennoch erfuhr die Öffentlichkeit erst am 7. Mai von der Fehleinschätzung. Die Opposition im Landtag, die sich zuvor mit Schulze Föcking solidarisch erklärt hatte, vermutet, dass die Landesregierung hier auf Zeit spielen wollte. Der Vorgang, der die Affäre auslöste, mutet kurios an: Die damalige Ministerin hörte aus dem heimischen Fernseher plötzlich ihre eigene Stimme. Auf dem Bildschirm erschien – für Schulze Föcking unerklärlich – die Aufnahme einer Fragestunde mit ihr aus dem Landtag. Die Ministerin bekam Angst und rief die Polizei. Kurz darauf streute die Staatskanzlei die Nachricht vom „Hacker-Angriff“.

Christina Schulze Föcking sagte, dass sie diese gespenstische Erfahrung am eigenen TV-Gerät in einer Zeit traf, in der ihre Familie massiven Bedrohungen ausgesetzt gewesen sei. „Wir hatten Angst“, sagte sie und zitierte aus obszönen Schreiben mit blutigen Gewaltphantasien. Noch einen Tag vor dem angeblichen Hacker-Angriff habe sie eine Todesdrohung erhalten. Der „Alptraum“ dauere bis heute an. Die Familie habe ihren Bauernhof nach drei Einbrüchen und vielen Bedrohungen mit Bewegungsmeldern, Scheinwerfen, Kameras und Spezialschlössern gesichert. Sie habe sich auch von Personen bedrängt gefühlt, die nach der Berichterstattung im Sommer 2017 über vermeintliche Tierschutz-Verstöße in den Ställen der Familie am Hof aufgetaucht seien.

Aufklärung zur Hacker-Attacke kam zu spät

Schulze-Föcking bestätigte, das sich früh die Hinweise auf einen simplen Bedienfehler im Heimnetzwerk verdichteten. Am 23. März erfuhr sie von Ermittlern, dass sich der Anfangsverdacht auf einen Angriff nicht bestätigt hatte. Am 29. März erklärte ihr die Staatsanwaltschaft, dass das Video wohl vom Tablet-PC der Mutter übertragen worden war. Die Vorstellung eines „Hacker-Angriffs“ soll sogar schon am 19. oder 20. März verworfen worden sein, wie laut WDR aus Dokumenten der Kölner Staatsanwaltschaft und des Landeskriminalamtes hervorgehe. Warum hat die Politikerin dann bis zum 7. Mai gewartet? „Ich wollte die Öffentlichkeit früh aktiv informieren“, beteuerte sie. Entschloss sich dann aber doch wegen anhaltender Zweifel auf den finalen Abschlussbericht der Staatsanwaltschaft zu warten.

Die Staatskanzlei, versichert Schulze-Föcking, sei von ihr stets „zeitnah“ über den Stand der Ermittlungen informiert worden. Heißt: Die Landesregierung ahnte wohl ebenfalls früh, dass der „Hacker-Angriff“ ein Märchen war. An dieser Stelle dürften SPD und Grüne im U-Ausschuss weiter ansetzen.

Ermittler sollen noch aussagen

Aus Sicht von CDU und FDP ist der U-Ausschuss „überflüssig“. Es sei in Ordnung gewesen, in der „Hacker-Afffäre“ das Ende der Ermittlungen abzuwarten und nicht Zwischenergebnisse zu veröffentlichen. Norwich Rüße (Grüne) sagte, man sei nach der Sitzung nicht viel schlauer als vorher. Es sei aber klar, dass die Regierung auf Zeit spielen wollte, sie hätte viel früher „die Reißleine ziehen müssen“. Demnächst sollen die Ermittler im U-Ausschuss aussagen.