Düsseldorf. Die neue Ministerin Gorißen kritisiert Pläne, trotz Ukraine-Kriegs und Welternährungskrise Zehntausende Hektar nicht zu bewirtschaften.
Die neue NRW-Landwirtschaftsministerin Silke Gorißen (CDU) erhöht den Druck, die Öko-Ziele der EU für den Ackerbau wegen des Ukraine-Krieges zu verschieben. „Nie zuvor war es in den letzten Jahrzehnten wichtiger, für Versorgungssicherheit durch die Landwirtschaft zu sorgen. Angesichts der verschärften Welternährungskrise können nicht EU-weit zusätzliche Flächen aus der Produktion genommen werden“, sagte Gorißen unserer Redaktion.
In der EU sollen ab 2023 mindestens vier Prozent der Ackerfläche nicht mehr bewirtschaftet werden dürfen. Damit sollen Tier- und Pflanzenwelt besser geschützt werden. NRW pocht ebenso wie andere Bundesländer auf eine Aussetzung der Regeln, um weltweite Versorgungsengpässe in Folge des Ukraine-Krieges auszugleichen. In einer solch kritischen Phase sei es nicht verantwortbar, heimische landwirtschaftliche Potenziale ungenutzt zu lassen, heißt es. Es müsse auch in NRW ein Beitrag zur Entlastung der angespannten Agrarmärkte geleistet werden.
Allein in NRW geht es um 42.000 Hektar Ackerflächen
Die Ukraine, die als eine der Kornkammern Europas gilt, kann wegen der russischen Angriffe nicht wie gewohnt Getreide exportieren, weshalb Experten in armen Ländern eine Hungersnot befürchten. Die von der EU vorgesehen Stilllegungspläne für Agrarflächen würden allein in NRW bedeuten, dass etwa 42.000 Hektar Fläche ab dem kommenden Jahr nicht mehr bestellt werden könnten. Schätzungen zufolge geht es damit um 320.000 Tonnen Getreide, die mehr oder weniger geerntet werden.
Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) hatte sich bereits im Landtagswahlkampf dafür ausgesprochen, keine Flächen, auf denen Lebens- oder Futtermittel angebaut werden könnten, in der kritischen Weltlage brachliegen zu lassen. Im grünen Teil seiner neuen schwarz-grünen Koalition tut man sich dagegen mit der Aufweichung der Öko-Ziele schwerer. Die Ampel-Bundesregierung wirkt in der Frage bislang zögerlich.
Özdemir will Aussetzung der Stilllegung nur unter Bedingungen
Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) hat zu Wochenbeginn zwar erstmals Gesprächsbereitschaft signalisiert, die Stilllegung von vier Prozent landwirtschaftlicher Ackerflächen auszusetzen, dies jedoch an Bedingungen geknüpft. Dann müsse man auch über einen Umbau der Tierhaltung diskutieren, um Flächen für Nahrung zu gewinnen, statt sie für die Futterproduktion zu nutzen, so Özdemir.
Gorißen begrüßte dennoch Özdemirs Kursänderung: „Der Haltungswechsel des Bundeslandwirtschaftsministers geht in die richtige Richtung. Jetzt müssen den Worten auch Taten folgen." Eine Entscheidung soll in Abstimmung mit Brüssel schnell fallen, denn den Bauern läuft die Zeit davon: „Die Landwirtinnen und Landwirte benötigen schnellstmöglich Planungssicherheit für die Aussaat nach der Ernte in diesem Sommer“, heißt es in einem gemeinsamen Brief der unionsgeführten Landwirtschaftsministerien an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen von Ende Juni.