Berlin. Die Neonazi-Gruppe „Combat 18“ wurde vom Bundesinnenminister verboten. Der Schritt war lange erwartet worden. Aber was bringt er?
Innenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Gruppe „Combat 18“ verboten. Am Morgen durchsuchten Polizisten Räumlichkeiten der Neonazis in sechs Bundesländern. Einsätze gab es in Nordrhein-Westfalen, Brandenburg, Hessen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern, und Rheinland-Pfalz mehrere Objekte.
Eine der Druchsuchungen fand in Castrop-Rauxel (Kreis Recklinghausen) statt. In Brandenburg gab es Einsätze in Eberswalde (Landkreis Barnim) und in Wildau (Landkreis Dahme-Spreewald). Stanley R., der als Rädelsführer und wichtige Figur in der Szene gilt, wurde den Angaben zufolge von der Polizei in Thüringen an seinem Arbeitsplatz angetroffen und zu seiner Wohnung gebracht, die durchsucht wurde.
In Thüringen wurden zwei Objekte durchsucht: ein Wohnhaus in Erfurt-Vieselbach, einem dörflichen Orteil abseits der Landeshauptstadt, und nach Angaben des Landeskriminalamts ein weiteres Objekt im Raum Eisenach.
Razzia bei „Combat 18“-Mitgliedern: NS-Devotionalien und Waffen sichergestellt
Wie das Bundesinnenministerium weiter mitteilte, nahmen die 210 Beamten, die am Donnerstag an dem Einsatz beteiligt waren, auch Mobiltelefone, Laptops, Datenträger, Tonträger, Kleidung, NS-Devotionalien und Propagandamittel mit. Auch „waffenrechtlich relevante Gegenstände“ seien beschlagnahmt worden
Die Produktion und Verbreitung von Musik mit rechtsextremem Inhalt bildete den Angaben zufolge einen Schwerpunkt der Aktivitäten der Gruppe. Diese habe versucht, über die Musik ihre „menschenverachtende Gesinnung mit rechtsextremistischer und antisemitischer Hetze“ in die Gesellschaft hineinzutragen.
Die Aktion war erwartet und mehrmals von den Bundesländern angemahnt worden. Symbolpolitik oder ein Wirkungstreffer? Die wichtigsten Fragen.
Wofür steht „Combat 18“?
Combat bedeutet Kampf. 18 steht für den ersten und achten Buchstaben des Alphabets: die Initialen Adolf Hitlers. Nach Ansicht des Innenministeriums ist die Gruppe mit dem Nationalsozialismus wesensverwandt. Sie war 1992 in Großbritannien gegründet worden – als Saalschutztruppe einer rechtsextremistischen Partei – und verbreitete sich alsbald in Westeuropa, in Deutschland spätestens seit 2014.
Zur deutschen Gruppe gehören etwa 20 Leute in sechs Bundesländern. Ein regionaler Schwerpunkt ist Nordrhein-Westfalen. Drei Viertel aller „Combat 18“-Mitglieder leben im Ruhrgebiet, wie aus der Antwort des NRW-Innenministeriums auf eine Anfrage der Grünen hervorgeht. Der Rädelsführer lebt jedoch in Thüringen.
Wie treten die Neonazis von „Combat 18“ auf?
Sie unterscheiden zwischen Vollmitgliedern und „Supportern“. Die Mitglieder sind zur Verschwiegenheit verpflichtet. Sie meiden die Öffentlichkeit und verabreden sich konspirativ über Chats. Sie organisieren Konzerte, vertreiben rechtsextreme Musik und Merchandise-Artikel wie T-Shirts oder Aufkleber.
Der mutmaßliche Mörder des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke soll Kontakt zu „Combat 18“ gehabt haben. Die Bundespolizei hatte bei der Gruppe einmal Munition und Waffen beschlagnahmt.
Wer darf wann wen verbieten?
Der Innenminister darf Verbote aussprechen, wenn der Zweck des Vereins Strafgesetze verletzt oder gegen die verfassungsmäßige Ordnung und gegen die Völkerverständigung verstößt. Seehofer hält „Combat 18“ für eine neonazistische, rassistische, fremden-und demokratiefeindliche Vereinigung.
Was erhofft sich Horst Seehofer?
Ein Verbot ist ein Signal, eine Machtdemonstration. Freilich trifft es die Gruppe nicht nur symbolisch. Sie wird aufgelöst und darf sich auch nicht unter einem anderen Namen neu formieren. Sie wird geschwächt, ihr Vermögen beschlagnahmt. Ob das Verbot ein Wirkungstreffer ist, weiß man aber erst im Nachhinein.
Ist ein Verbot für den Staat riskant?
Der Verein kann innerhalb eines Monats Klage beim Bundesverwaltungsgericht in Leipzig erheben. Siegt er, wäre das Innenministerium blamiert. Häufig gehen verbotene Gruppen in den Untergrund. Nach dem Abtauchen könnten Rechtsextremisten noch gefährlicher werden, sich radikalisieren, in den Terrorismus abgleiten. Die Ideologie bleibt, die Anhänger auch.
Die SPD hat das Verbot der rechtsextremen Gruppe „Combat 18 Deutschland“ begrüßt. „Ich bin froh, dass Innenminister Seehofer nun konsequent gegen die rechtsextreme Gruppe vorgeht“, erklärte Generalsekretär Lars Klingbeil am Donnerstag in Berlin. Er wies allerdings darauf hin, dass die Sozialdemokraten ein Verbot von „Combat 18“ bereits im vergangenen Sommer gefordert hätten.
Warum reagiert der Staat gerade jetzt?
Der Lübcke-Mord im Juni 2019 war eine Zäsur. Danach hatte Seehofer mehrfach Verbote in Aussicht gestellt. Es war wie eine sich selbst erfüllende Prophezeiung. Der Minister drängte, seine Beamten bremsten und sammelten Beweise. Sie wollten rechtsstaatlich auf der sicheren Seite sein – er möglichst schnell ein Zeichen setzen. Der Abwägungsprozess zog sich vom Herbst bis heute hin.
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Bleibt es eine Einzelaktion?
„Combat 18“ war nur der Anfang. Andere rechtsextremistische, rassistische, antisemitische Gruppen können sich keineswegs in Sicherheit wiegen, allen voran die fremdenfeindliche Identitäre Bewegung. Ebenfalls im Visier der Verfassungsschützer sind die Neonazi-Organisationen „Die Rechte“ und „Der III. Weg“ , die zusammen etwa 1000 Mitglieder haben, und die rechtsextremistische „Kameradschaft Aryans“.
Wie geht es weiter?
Noch im ersten Quartal will Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang ein Lagebild zu der Frage von Rechtsextremisten im öffentlichen Dienst – insbesondere bei den Sicherheitsbehörden – vorlegen. In den nächsten Wochen ist mit der Öffnung von zwei Gerichtsverfahren zu rechnen, die neue Erkenntnisse bringen könnten: Die Anklagen gegen den mutmaßlich rechtsextremen Bundeswehr-Offizier Franco A. und gegen den Verdächtigen im Mordfall Lübcke.
Relevant ist auch der Ausgang eines Rechtsstreit mit der AfD. Der Verfassungsschutz hatte den „Flügel“ und die Jugendorganisation „Junge Alternative“ zum Verdachtsfall erklärt. Außerdem hatte hatte Seehofer im Herbst 2019 ein Maßnahmenpaket gegen den Rechtsextremismus angekündigt, mehrere Gesetzesverschärfungen stehen im Februar im Kabinett an.