Düsseldorf. . Eine Rückkehr zu G9, also dem Abitur nach neun Jahren, wird es nicht geben. Darauf hat sich NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) mit mehr als 60 Vertretern beim “Runden Tisch“ geeinigt. Für die G8-Schüler soll es aber Verbesserungen geben. Mehr Freizeit und weniger Prüfungsdruck sind das Ziel.

Knapp zehn Jahre nach Einführung des umstrittenen „Turbo-Abiturs“ in NRW soll ein Zehn-Punkte-Plan den stressgeplagten Gymnasiasten Erleichterung verschaffen. Nach sechsmonatiger Diskussion hat sich Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) am Montagabend mit mehr als 60 Vertretern aus 40 Verbänden und Initiativen bei einem „Runden Tisch“ in Düsseldorf auf Verbesserungen im System verständigt.

Im WDR sagte Löhrmann am Dienstagmorgen, die Verbesserungen sollten schon 2015 umgesetzt werden. Sie hoffe, dass der Landtag noch in diesem Jahr eine "Leitentscheidung" treffe. Das Reformkonzept könne dann zum nächsten Schuljahr greifen.

Eine Rückkehr zur Gymnasialzeit von neun Jahren (G9) wurde dagegen nur von den Bürgerinitiativen „G-ib-8“ und „G9-jetzt“ gefordert. Diese werben weiter im Internet mit einer Volksinitiative, für die sie bereits 46.000 Unterschriften gesammelt haben.

„Ich bin froh, dass sich die große Mehrheit gegen eine Rolle rückwärts ausgesprochen hat“, kommentierte Löhrmann erleichtert. Die Ministerin hatte den „Runden Tisch“ im Mai einberufen, nachdem Niedersachsen die Rückkehr zum Abitur nach neun Gymnasialjahren beschlossen hatte und sich auch bei Schülern und Eltern in NRW immer mehr Unmut Bahn brach. „Es war mir wichtig, sich darüber zu verständigen, was in NRW gewollt wird“, sagte Löhrmann.

Mehr Freizeit und weniger Prüfungdsdruck

Die landesweit 613 Gymnasien, die das „Turbo-Abitur“ eingeführt hatten, sollen den Schülern künftig mit zahlreichen Einzelmaßnahmen mehr Freizeit und weniger Prüfungsdruck verschaffen. Konkret sollen Hausaufgaben größtenteils in die Lernzeiten in der Schule integriert werden. Es gebe im Land gute Modelle, bei denen sich die praktische Umsetzung abschauen lasse, sagte Löhrmann. Lehrer müssten sich dazu bei ihrer Planung verstärkt im Team absprechen.

Der Nachmittagsunterricht soll begrenzt werden, um mehr Freiräume für außerschulische Hobbys zu schaffen. So darf in sämtlichen Jahrgangsstufen der Sekundarstufe 1 nur noch einmal pro Woche Unterricht in den Nachmittag geschoben werden. Die Zahl der Klassenarbeiten und Klausuren pro Woche soll reduziert werden. Die Schülervertretung setzte sogar den Prüfauftrag durch, inwieweit sich alternative Lernstandserhebungen zu Klassenarbeiten in den Schulalltag einbauen lassen.

Konkrete Erlasse bis Jahresende

Der „Zehn-Punkte-Plan“ wird nun dem Landtag vorgelegt und soll nach den Vorstellungen der Schulministerin bis Ende des Jahres in konkrete Erlasse gegossen werden. Es gebe in NRW bereits viele Modelle für eine schülergerechte Umsetzung des „Turbo-Abiturs“ in NRW, nun würden sie für alle verbindlich, betonte Löhrmann.

Der Philologen-Verband begrüßte das Ergebnis als schwierige „Güterabwägung“. Mit der Zustimmung signalisiere man „keine prinzipiell positive Beurteilung von G8“, betonte der Verbandsvorsitzende Peter Silbernagel. Die Angst vor einer neuerlichen jahrelangen Strukturreform, die mit eine Rolle rückwärts verbunden wäre, zeigte offenbar Wirkung.

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G9 hat weiterhin auch Kritiker

Der Verband Erziehung und Bildung (VBE) beklagte, dass der „Konstruktionsfehler von G8“ mit einer auf nur fünf Jahre verdichteten Sekundarstufe 1 weiterhin nicht behoben sei. Das Schulministerium hatte die Einteilung in Ober- und Unterstufe hingegen mit Verweis auf bundesweite Verabredungen in der Kultusministerkonferenz für vorerst nicht reformierbar erklärt.

Als entschiedene Kritiker des „Zehn-Punkte-Plans“ präsentieren sich dagegen weiterhin die Bürgerinitiativen „G-ib-8“ und „G9-jetzt“. Die vorgeschlagenen Verbesserungen bei Klausuren, Hausaufgaben und Nachmittagsunterricht hätten nur Appell-Charakter und gingen an der Realität vorbei. Schulische Verpflichtungen inklusive Hausaufgaben bis nachts seien eine „G8 immanente Notwendigkeit“.

Schulministerin Löhrmann hatte zu Beginn ihrer Amtszeit den Gymnasien eine Rückkehr zu G9 einmalig als Wahlmöglichkeit freigestellt. Nur wenige Schulen machten davon Gebrauch. Zudem hatte sie stets darauf verwiesen, dass mehr als 600 Gesamtschulen, Sekundarschulen und Berufskollegs ein G9-Abitur in NRW anbieten.