Düsseldorf. . Viele Schulen in NRW können den Ansturm der Flüchtlingskinder derzeit kaum bewältigen. Vor allem die Zahl der Nahost-Flüchtlinge steigt rasant.
Die drastisch gestiegene Zahl der Flüchtlingskinder aus dem Nahen Osten stellt die Schulen in NRW vor erhebliche Herausforderungen. „Viele Kinder aus Kriegs- und Krisengebieten sind schwer traumatisiert und depressiv, sie sprechen kein Deutsch und sind isoliert in einem völlig fremden Land“, sagte der Chef der Lehrergewerkschaft Verband Bildung und Erziehung (VBE), Udo Beckmann, dieser Zeitung. „Zahlreiche Schulen können dem Andrang kaum gerecht werden. Auffangklassen sind bereits heillos überfüllt.“
Anders als in einigen anderen Bundesländern gilt in NRW auch für Flüchtlingskinder die Schulpflicht. Für Kinder, deren Deutschkenntnisse die Teilnahme am Unterricht in der Regelklasse noch nicht ermöglichen, haben Städte Vorbereitungsklassen eingerichtet. Für Schüler, die während des laufenden Schuljahres nach NRW kommen, gibt es Auffangklassen. Ende September gab es in NRW rund 5300 Plätze in Auffang- und Vorbereitungsklassen.
So viele Auffangklassen gibt es in den Ruhrgebietsstädten
Im Ruhrgebiet wurde im September in Vorbereitungs- und Auffangklassen die folgende Zahl an Schülern unterrichtet in den Städten:
- Dortmund 457
- Duisburg 410
- Gelsenkirchen: 229
- Essen: 199
- Hagen: 146
- Bochum: 120
- Recklinghausen: 101
- Oberhausen: 100
- Herne: 66
- Gladbeck: 51
- Mülheim: 26
Der Schulleiter einer Realschule im Sauerland (Name bekannt) klagt über Probleme. „In kleinen Städten können keine Auffangklassen gebildet werden. Die Seiteneinsteiger kommen direkt in die Regelklassen.“ Obwohl die Schüler bereits in den Klassen säßen, könnten zusätzliche Lehrer erst zum Schuljahr 2015/16 abgerufen werden, kritisierte der Pädagoge. Schulexperten im Ministerium glauben, dass sich Flüchtlingskinder in Regelklassen mit zusätzlicher Förderung „deutlich schneller integrieren als in separaten Klassen“.
Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) wies in diesem Zusammenhang darauf hin, dass NRW 3000 Lehrerstellen als Integrationshilfe für Flüchtlingskinder zur Verfügung stellt. „Darüber hinaus können die Bezirksregierungen auch Stellen gegen Unterrichtsausfall für individuelle Förderung nutzen, um kurzfristig entstehenden Bedarf abzudecken“, erläuterte Löhrmann dieser Zeitung. Derzeit prüft das Ministerium, „ob weitere Schritte erforderlich sind. Problemen gehen wir nach.“
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VBE-Chef Beckmann unterstützt die Aufnahme der Flüchtlingskinder von ganzem Herzen. Ein Problem sei aber die große Spreizung. „Einige sind Analphabeten, andere sind fürs Gymnasium geeignet. Es gibt zudem eine große Altersspreizung.“ Da die Kinder aus unterschiedlichen Kulturkreisen mit unterschiedlichen Erziehungsstilen, Laut- und Schriftsystemen stammen, brauchen sie individuelle Förderung. Die meisten Lehrer sind aber gar nicht ausgebildet für die Unterrichtung in Deutsch als Fremdsprache. Erst seit 2009 werden alle Lehramtsstudenten im Bereich Deutsch als Zweitsprache geschult.
Zahl der Flüchtlinge in NRW steigt rasant
Weil die Zahl der Flüchtlinge wächst – 2014: rund 40.000 in NRW – richten Kommunen zahlreiche zusätzliche Kita-Gruppen und Auffangklassen ein. Nicht nur Hagen denkt daran, spezielle Kita-Gruppen für Flüchtlingskinder sowie neue Startergruppen an Grundschulen aufzubauen. Ministerin Löhrmann steckt in dem Dilemma, dass keine verlässlichen Daten für neuzuwandernde Familien prognostiziert werden können.
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Für den NRW-Chef des Philologenverbandes, Peter Silbernagel, sind die Probleme mit der Aufnahme von Flüchtlingen an Schulen „in diesem Schuljahr deutlich heftiger“ geworden. Die Aufnahme sei sinnvoll, NRW dürfe die Schulen aber nicht allein lassen. „Bisher gibt es kaum zusätzliche Mittel“, klagte Silbernagel. Kollege Beckmann verlangt an den betroffenen Schulen mehr Psychologen, Sozialarbeiter und Dolmetscher, die erste Hemmschwellen abbauen und Hilfe geben. Über mangelnden Bildungshunger der Flüchtlinge gibt es keine Klagen: Die meisten Eltern wollen, dass ihre Kinder die Schule besuchen und etwas lernen.
Ungenutzte Schulgebäude werden neu eingerichtet
Aufgrund der weiter stark steigenden Zahl von Flüchtlingskindern werden in Kommunen ursprünglich bereits geschlossene Schulgebäude inzwischen wieder neu eingerichtet und für Vorbereitungs- und Auffangklassen genutzt. Problematisch wird oft die anschließende Förderung im Regelschulsystem, wo die Klassenobergrenzen erreicht sind und freie Plätze fehlen. Die Bezirksregierungen streben an, dass die „Verweildauer in der Vorbereitungsklasse in der Regel zwei Jahre nicht überschreitet“. Bis dahin sollen die Flüchtlingskinder ausreichend gut Deutsch sprechen für den Besuch einer Regelklasse.