Port-au-Prince. “Baby Doc“ Jean-Claude Duvalier war einer der brutalsten Diktatoren des 20. Jahrhunderts. In der Tradition seines Vaters ließ er Opppositionelle töten und bereicherte sich maßlos. Jetzt ist Haitis Ex-Diktator im Alter von 63 Jahren gestorben. Seine Verbrechen aber bleiben ungesühnt.

Seinen letzten Weg legte „Baby Doc“ Duvalier noch einmal so zurück, wie er es sicher für angemessen hielt. In einem Hubschrauber wurde er aus seiner Villa in den sanften Hügeln über Port-au-Prince in ein Krankenhaus der haitianischen Hauptstadt geflogen. Dort starb der 63-jährige Diktator im Ruhestand am Samstag dann an dem zuvor erlittenen Herzanfall.

Vor drei Jahren war Jean-Claude Duvalier, wie Baby Doc mit bürgerlichem Namen hieß, nach einem Vierteljahrhundert im französischen Exil unerwartet nach Haiti zurückgekehrt. Die Justiz seines Landes versuchte ihm seither den Prozess wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu machen. Aber wie so viele Gewaltherrscher der Neuzeit entzog sich auch Duvalier durch Tod seiner Verantwortung.

Die Geschichte von „Baby Doc“ beginnt mit der seines Vaters „Papa Doc“, François Duvalier. Vater und Sohn herrschten in dem Karibikstaat von 1957 bis 1986 in Form einer Erb-Diktatur. Diese trug wesentlich zur Rückständigkeit des Karibikstaates bei. Vater und Sohn plünderten das Land aus, während Demokraten und die Intelligenzia die Flucht ins Ausland antraten.

Legendäre Raffgier und Brutalität

Dabei begann die Geschichte der Duvaliers mit viel Zustimmung und noch mehr Hoffnung. Der Arzt François Duvalier wurde am 22. September 1957 mit großer Mehrheit zum Präsidenten Haitis gewählt. 1961 sich er sich wiederwählen und 1964 auf Lebenszeit im Amt bestätigen. Schon damals mit groß angelegtem Betrug.

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Legendär wurden seine Raffgier und seine Brutalität. Er schuf die allseits gefürchteten „Tontons Macoutes“, die eine Mischung aus Tot-Schlägertrupp und Geheimdienst war. Schätzungen zufolge erschossen, erschlugen oder zerstückelten sie in der Doppel-Diktatur der Duvaliers 60.000 Menschen. Papa Doc ließ am Ende seiner Amtszeit fast die gesamte Wirtschaft für sich arbeiten. So flossen die Gewinne der staatlichen Tabakgesellschaft direkt in seine Tasche. Später erhielt der Staat alias Duvalier auch noch das Monopol auf Mehl, Zucker, Alkohol und den Import von Fahrzeugen.

Scheindemokratische Zugeständnisse

Papa Doc regierte 14 Jahre lang bis zu seinem Tod 1971. Als er erkrankte, baute er seinen damals 18 Jahre alten Sohn Jean-Claude als Nachfolger auf. Der Alte ließ noch schnell vor seinem Tod die Verfassung ändern und setzte das Mindestalter für den Präsidenten-Job von 40 auf 18 herab. In einem Operetten-Referendum sprachen sich dann 2.391.916 Haitianer für Duvalier II. als Nachfolger von Duvalier I. aus. Gegenstimmen wurden keine abgegeben. So konnte Papa Doc am 21. April beruhigt sterben und Jean-Claude mit 19 Jahren Präsident werden. Baby Doc war damals jüngster Staatschef der Welt. Mehr als die Macht aber, liebte er noch schnelle Autos und schöne Frauen.

Ende der siebziger Jahre drehte der Wind in den USA mit Präsident Jimmy Carter. Baby Doc machte ein paar scheindemokratische Zugeständnisse, um die Hilfsgelder aus Washington nicht zu gefährden. Aber schon mit Amtsantritt von Ronald Reagan, kehrte er wieder zu den Unterdrückungsmethoden seines Vaters zurück: Knebelung der Presse, Knast und Mord für Oppositionelle.

"Die Dinge müssen sich ändern"

Doch die zeitweilige Lockerung der Repression hatte einen unumkehrbaren Prozess in Gang gebracht. Als Papst Johannes Paul II. 1983 bei seinem Besuch in dem Inselstaat mit dem berühmten Satz „il faut, que les choses changent“ („Die Dinge müssen sich ändern“) der Opposition und den Priestern der Befreiungstheologie neuen Wind gab, war das Ende von Baby Doc besiegelt. Hunger und Versorgungsengpässe lösten immer wieder Proteste aus. Im November 1985 senkte auch US-Präsident Reagan den Daumen über Duvalier.

Am 7. Februar 1986 flogen die Vereinigten Staaten ihn und seinen Clan aus dem Land, nachdem Frankreich sich bereit erklärt hatte, ihn aufzunehmen. Im Gepäck hatte die Diktatoren-Familie eine Summe, die sich irgendwo zwischen 120 Millionen und 900 Millionen Dollar bewegt. Jean-Claude Duvalier besaß Konten in der Schweiz, in den USA sowie in mehreren Steueroasen. Zudem hatte der Unterdrücker-Clan Wohnungen an den exklusivsten Adressen in Paris und New York.

Haiti versank im Elend

Während Baby Doc als 34-jähriger Diktator im Ruhestand das geklaute Geld an der Côte d’Azur verprasste, versank Haiti immer weiter im Elend und wurde das, was es schon vor dem Erdbeben 2010 war: Ein vergessenes und verlorenes Stück Erde, in dem die Menschen an Hunger und an behandelbaren Krankheiten sterben – kaum 1000 Kilometer von Miami entfernt.