Washington. . Trotz eindringlicher Bitten des ukrainischen Präsidenten Poroschenko sieht US-Präsident Obama von Waffenlieferungen an das konfliktgeplagte Land vorerst ab. Nach einem Treffen mit Poroschenko im Weißen Haus machte er keine Zusagen für solche Lieferungen, sondern verwies lediglich auf Unterstützung zur “Sicherheit der Ukraine“.

Gemeinsamer Applaus im Stehen, hat die „Washington Post“ einmal süffisant geschrieben, ist im notorisch zerstrittenen amerikanischen Parlament manchmal der größte Ausdruck von „Heuchelei und Symbolik“. Die Beschreibung trifft wohl auch auf das zu, was sich gestern früh im Kongress abspielte. Nach einer flammenden Rede, die um große Begriffe wie Würde, Menschenrechte, Solidarität und Frieden kreiste und in der mehr als einmal die Pathos-Formel „Lebe frei - oder stirb“ anklang, bekam der ukrainische Präsident Petro Poroschenko anhaltenden, teils frenetischen Beifall von Senatoren und Abgeordneten des Repräsentantenhauses. Sein Hauptanliegen aber, die Belieferung der ukrainischen Armee mit schweren US-Militärgütern als Antwort auf Moskaus Aggression, wurde wenig später hinter verschlossenen Türen im Weißen Haus bis auf weiteres beerdigt.

Das jedenfalls hatten Regierungsoffizielle Hauptstadtmedien bereits gesteckt, bevor der im Sommer zum Staatsoberhaupt gewählte Schokoladen-Milliardär aus Kanada kommend am Potomac eintraf. Tenor: Schwere Waffen könnten Russlands Präsidenten Putin unnötig provozieren und zu weiteren Eskalationen führen. Und an einer Zuspitzung in der Ukraine habe das zurzeit bis über beide Ohren mit dem Desaster um den „Islamischen Staat“ in Syrien und im Irak beschäftigte Weiße Haus kein Interesse.

Kreml bezichtigt Poroschenko der Lüge

Ob sich an dieser Einschätzung durch die jüngsten von Poroschenko überlieferten Äußerungen Putins etwas ändern würde, war bis zum Vier-Augen-Gespräch mit Obama am Abend offen aber unwahrscheinlich. Danach soll Putin gegenüber EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso gesagt haben: „Wenn ich wollte, könnten russische Truppen in zwei Tagen nicht nur in Kiew, sondern auch in Riga, Vilnius, Tallinn, Warschau oder Bukarest sein.“ Der Kreml dementierte umgehend und stellte Poroschenko als Lügner dar.

Wie zuvor im kanadischen Ottawa bemühte sich Poroschenko in Washington um einen engen Schulterschluss zum Westen und erbat mit viel Pathos dessen Beistand. Was in der Ukraine geschehe, „ist auch Amerikas Krieg“. Russland habe weitere Länder in Ost-Europa auf dem Radar. Ein „neuer, kalter Krieg“ drohe, sagte Poroschenko unter den Augen von Vizepräsident Joe Biden und Oppositionsführer John Boehner, und appellierte an die Abgeordneten. „Lasst Sie die Ukraine nicht in Stich.“

"Mit Decken kann man keinen Krieg gewinnen"

Vor der in diesem Format nur wenigen Regierungschefs zugestandenen Begegnung mit Obama ließ Poroschenko wissen, dass die Belieferung mit Hilfsgütern wie Nahrung oder Kommunikationstechnik durch die USA gewiss verdienstvoll sei. „Decken und Nachtsichtgeräte sind wichtig. Aber mit Decken kann man keinen Krieg gewinnen.“ Die einflussreiche Denkfabrik Brookings schlug sich vorher auf Poroschenkos Seite und bedrängte Obama. „Eine besser ausgerüstete ukrainische Armee wird Putin zu einer Pause zwingen, weil es die Kosten für Russland in die Höhe treibt, wenn Moskau den Waffenstillstand aufkündigt und wieder das Kämpfen beginnt.“

Der US-Präsident, so erwarteten Vertraute, wird den Erwartungen Poroschenkos, der im Zusammenhang mit Russland von „Heimtücke“ und „Dolchstoß“ sprach, jedoch einen Dämpfer versetzt haben. Der Waffenstillstand in der Ukraine, mag er auch brüchig sein, gilt in Washington als „politisch kostbar“. Halte sich Moskau daran, könne man „sogar über eine Aufweichung der gegen den Kreml verhängten Wirtschaftssanktionen nachdenken“, heißt es in Regierungskreisen.