Düsseldorf. Vor dem Düsseldorfer Oberlandesgericht sitzen vier mutmaßliche islamistische Terroristen auf der Anklagebank. Der Prozess wegen einer Bombe am Bonner Bahnhof und einem Mordkomplott gegen einen rechtsextremen Politiker könnte sich lange hinziehen. Schon der erste Tag verlief stockend.

Im Isis-Zeitalter wird Sicherheit bei Terrorprozessen noch größer geschrieben – auch im Hochsicherheitstrakt des OLG Düsseldorf. Eine gefühlte Einsatzhundertschaft bewachte gestern den Betonbunker am Rhein. Diverse Schutzzonen, Polizisten mit Maschinenpistolen vor dem Eingang, ein Dutzend bewaffnete Beamte im Gerichtssaal.

Die Akten füllen 180.000 Seiten. 150 Zeugen sollen gehört werden. Bis April 2015 sind zunächst 55 Verhandlungstage angesetzt. Verfahrensbeteiligte rechnen damit, dass der Prozess zwei Jahre dauern kann. Eine solide Prognose, wenn es so weitergeht, wie es gestern begann: mit juristischen Scharmützeln und formalem Kleinkrieg. Die Hauptverhandlung hatte noch nicht begonnen, da wurde sie gestoppt. Eine halbe Stunde vor Beginn hatte die Verteidigung einen Befangenheitsantrag aufs Fax gelegt.

„Bruder Marco ist ein sympathischer junger Mann“

Der wurde abgelehnt, doch neue Anträge und Einlassungen streckten den Auftakt um Stunden. In einer Pause sonnt sich ein verurteilter Terrorist im Blitzlichtgewitter: Ex-Bombenleger Bernhard Falk bastelt auf dem Flur an einer Entlastungsgeschichte für den Hauptangeklagten Marco G. „Ich hoffe, dass er das durchhält“, sagt Falk, „Bruder Marco ist ein sympathischer junger Mann.“ Der sympathische junge Mann soll 2012 eine Bombe im Bonner Hauptbahnhof deponiert haben und 2013 geistiger Urheber eines Mordkomplotts gewesen sein. So die Anklage der Bundesanwaltschaft, die für „Bruder Marco“ im Falle eines Schuldspruchs lebenslang bedeuten kann.

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„Allahu akbar!“, Allah ist groß, rufen G. und Enea B. beim Betreten des Sitzungssaals – und recken den rechten Zeigefinger. Es ist die Geste, mit der die radikal-islamistische Terrormiliz Islamischer Staat (IS) grüßt, auch vor und nach Hinrichtungen. Am 10. Dezember 2012 soll G. mit einer blauen Sporttasche in den Bonner Hauptbahnhof gegangen sein. Darin: eine selbstgebastelte Rohrbombe mit 115 Gramm explosivem Gemisch und vier Gaskartuschen, die eine Detonation vervielfacht hätten.

"Spätestens gegen 13.30 Uhr“ sollte die Bombe hochgehen

Die Tasche habe er um 13 Uhr an Gleis 1 abgestellt. „Spätestens gegen 13.30 Uhr“ sollte die Bombe hochgehen, steht in der Anklage. Nur eine Ladehemmung habe eine Katastrophe mit zahlreichen Toten und Verletzten verhindert. Die Verteidigung bestreitet die Zündfähigkeit des Selbstbausatzes. „Das war eine Bombenattrappe, keine Bombe“, sagt Rechtsanwalt Peter Krieger.

Echt waren die beiden Pistolen, eine Beretta und eine Ceska, durch die laut Anklage Pro NRW-Chef Markus Beisicht sterben sollte. Auch andere Funktionäre der rechtsradikalen Bewegung hätten Marco G. sowie die Mitangeklagten Enea B. aus Duisburg, Koray D. aus Wülfrath und Tayfun S. aus Essen im Visier gehabt. Auf einer „Todesliste“ waren „neun von 28 Namen rot markiert“.

Elitekämpfer sollte schießen

In der Duisburger Wohnung von Enea B. sei „der Entschluss des Tötens gefasst“ worden. Anschließend hätten die Angeklagten „das Haus des Unglaubens“, Beisichts Wohnung in Leverkusen, gezielt ausgespäht. Die Fluchtroute nach dem Attentat habe bereits festgestanden. Ebenso die Aufgabenverteilung für den Anschlag: Marco G. sollte fahren, Enea B., ausgebildet in einer Eliteeinheit der albanischen Polizei, schießen, Koray D. hätte notfalls als zweiter Schütze bereitgestanden. In seiner Wohnung Am Zehnthof in Essen, die als Treffpunkt, Zentrale und Rückzugsort diente, sollte Tayfun S. warten, der Logistiker der mutmaßlichen Terrorzelle.

„In den frühen Morgenstunden des 13. März 2013 sollte Beisicht sterben“, sagt die Bundesanwaltschaft. Am Vorabend schlugen Ermittler zu. Bei der letzten Ausspähfahrt stoppten sie das verwanzte Auto von Marco G. und Enea B. – 600 Meter vor Beisichts Wohnung. Koray D. wurde in Bonn, Tayfun S. in Essen gefasst. Den drei Mitangeklagten drohen bis zu 15 Jahre Haft.