Stellen Sie sich vor, es ist Bundestagswahlkampf - und keiner merkt es. Selten lief ein Kampagne so schlapp an wie diesmal. Die SPD findet keine zündende Idee - und die CDU hält den Ball flach. Kommt da noch was?
Man hat den Eindruck, die SPD wünscht sich förmlich die große Flut herbei. Nein, nicht um die schwer angeschlagene Partei endgültig mit sich fort zu reißen. Sondern um endlich ein wahlkampf-taugliches Thema zu bekommen. Etwa so wie 2002. Auch damals stand SPD-Kanzler Gerhard Schröder vor dem scheinbar unabwendbaren Wahldebakel. Dann kam die Elbe-Flut übers Land, Schröder inszenierte sich - mit Gummistiefeln und Regenjacke auf dem Deich - als Krisenmanager und schwamm sich so wieder frei.
Der Professor aus Heidelberg
Und auch eine Reizfigur wie Paul Kirchhof, den die CDU im Bundestagswahlkampf 2005 als Schattenfinanzminister ins politische Rennen schickte, und den die SPD als „Professor aus Heidelberg” verspottete und zum Symbol der vermeintlichen Marktradikalität der Union stilisierte, ist nicht in Sicht. Die SPD, wieder mit Schröder an der Spitze, konnte mit dem Schreckgespenst Kirchhof bei der Wahl noch einmal das Schlimmste verhindern.
Doch all dies ist lange her. Die Elbe fließt in diesen spätsommerlichen Tagen sanft dahin, Professor Kirchhof hat sich von seinem Ausflug in die Welt der Politik längst wieder verabschiedet und auch die Angst vor einer deutschen Beteiligung an einem Irak-Krieg, mit der die Sozialdemokraten in einer früheren Wahlauseinandersetzung punkteten, lässt sich diesmal nicht zum Thema machen.
Münte ist kein Heilsbringer
Wer soll die SPD aus der Malaise führen? Franz Müntefering, der nach einem Rücktritt erneut an die Spitze der Partei trat, ist nicht der Heilsbringer, für den manche in der SPD ihn hielten, als er erneut das Ruder in die Hand nahm. Zusammen mit Thomas Steg, den zum SPD-Kampagnen-Strategen mutierten früheren Merkel-Sprecher, brütet er in der Berliner SPD-zentrale über eine Kampagne, die die SPD aus dem 20-Prozent-Getto der Umfragen holen könnte. Ausgang ungewiss.
Und der Spitzenmann selbst? Frank-Walter Steinmeier tut sich bislang schwer in der Rolle des Wahlkämpfers. er ist kein Instinktpolitiker wie Gerhard Schröder, der ein seismografisches Gespür hatte, wo ein Winner-Thema lauerte. Gerade hat er angekündigt, in den nächsten Wochen zunächst vor allem auf Sachthemen setzen zu wollen: Arbeitsplätze, Bildung, Umwelt, Gesundheit. Erst danach, in der heißen Phase vor dem Wahltag am 27. September, soll der Kandidat Steinmeier ins Zentrum des SPD-Wahlkampfs rücken.
Nüchternheit statt Aggressivität
Sachliche Nüchternheit also statt Aggressivität - dazu passt auch das öffentlich verkündete Ziel, in erster Linie Schwarz-Gelb im Bund verhindern zu wollen. Anscheinend haben sich die Genossen bereits von der Vorstellung verabschiedet, nach der Wahl die führende Kraft in der künftigen Bundesregierung zu sein. Auf den Gedanken kann man angesichts der Umfragen tatsächlich kommen. Nur: Nach außen hin muss man auch dann Zuversicht demonstrieren. Wer gewinnen will, muss auch so auftreten. Sonst hat er bereits verloren.
Während die SPD mit sich und ihrem Kurs beschäftigt ist, lehnt sich die CDU zurück - und sehnt den Wahltag förmlich herbei. Zwar kann auch die Union nicht über Traumergebnisse in den Umfragen jubeln, doch liegt sie deutlich vor dem aktuellen Koalitionspartner. In der CDU gilt deshalb jetzt die Parole: Nur nichts falsch machen, nur nicht der SPD aus Unbedachtheit das von den Genossen so heiß ersehnte Wahlkampf-Thema liefern. Stattdessen ohne Fehltritt ins Ziel trudeln.
Sieht ganz so aus, als würde der Bundestagswahlkampf eine müde Veranstaltung. Wie steht eigentlich der Elbe-Pegel?