Düsseldorf. . Nach dem Urteil des Landesverfassungsgerichtes muss Nordrhein-Westfalen einen Weg finden, den Richterspruch so umzusetzen, dass es die Landeskasse möglichst wenig belastet. Pensionäre und höchste Staatsdiener sind offenbar von den Plänen am stärksten betroffen.

Gut sechs Wochen nach der schweren Niederlage der rot-grünen Landesregierung vor dem NRW-Verfassungsgericht in Münster ringen Ministerpräsidentin Hannelore Kraft und ihr Finanzminister Norbert Walter-Borjans (beide SPD) weiter mit den Gewerkschaften um Nachbesserungen beim Besoldungsgesetz für rund 226.000 höhere Beamte.

Vor der für Donnerstag geplanten vierten und letzten Gesprächsrunde blieb offen, wie Rot-Grün die verfassungsrechtlichen Vorgaben erfüllen und zugleich eine teure 1:1-Übertragung des Tarifergebnisses im öffentlichen Dienst (5,6 Prozent für die Jahre 2013 und 2014) auf alle Staatsdiener verhindern will.

Kraft pocht offenbar weiter auf eine „soziale Staffelung“

Wie aus Verhandlungskreisen zu erfahren ist, pocht Ministerpräsidentin Kraft weiter auf eine „soziale Staffelung“ bei den Gehaltserhöhungen. Beamte der Besoldungsgruppen A11 und A12, also etwa Polizisten und Grundschullehrer, könnten mit einem deutlichen Nachschlag rechnen. Aufsteigend in der Einkommensleiter würden die Zuwächse dann geringer.

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Zudem soll die Besoldungserhöhung zeitlich versetzt gewährt werden und nicht für die vollen Jahre 2013 und 2014 gelten. Weitere Einschnitte könnten bei den Pensionären vorgenommen werden, deren Einkommen erstmals von Gehaltserhöhungen der aktiven Beamten abgekoppelt würden.

Rot-Grün ist jetzt wieder am Zug 

Rot-Grün hatte das Tarifergebnis von 5,6 Prozent zunächst nur auf die unteren Gruppen der Beamtenschaft (bis A10) übertragen. Die mittleren Staatsdiener (A11 und A12) hatten sich mit zwei Prozent Erhöhung begnügen müssen, die höheren Beamten zwei Nullrunden hinzunehmen. Finanzminister Walter-Borjans begründete dieses Sparopfer mit den verfassungsrechtlichen Zwängen der Schuldenbremse. Die volle Übertragung des Tarifergebnisses auf alle NRW-Staatsdiener hätte die Landeskasse 1,3 Milliarden Euro gekostet.

Zudem blieben die Beamten ja gegenüber den Angestellten des öffentlichen Dienstes privilegiert, so Walter-Borjans. Das höchste Gericht kippte aber auf Antrag der Landtagsopposition aus CDU, FDP und Piraten das Besoldungsgesetz als verfassungswidrig.

Jetzt ist Rot-Grün wieder am Zug. Dass es einen Nachschlag für die Staatsdiener geben muss und die Neuverschuldung von 2,4 Milliarden Euro in diesem Jahr mit einem Nachtragshaushalt noch einmal ausgeweitet werden muss, wird selbst in der Staatskanzlei nicht mehr bestritten. Wie genau die Nachbesserungen am Besoldungsgesetz aussehen sollen, ist offen. Rot-Grün will den Gestaltungsspielraum nutzen, den das Verfassungsgericht aufgezeigt hatte. Münster untersagte zwar eine Nullrunde ab einer willkürlich gewählten Besoldungsgrenze, gab aber keinen Automatismus für die 1:1-Übertragung des Tarifergebnisses auf alle Beamten vor.

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Die Landesregierung sieht offenbar überdies rechtliche Spielräume, um bei den Pensionären zu sparen. Münster hatte mit Verweis auf ein früheres Urteil des Bundesverfassungsgerichts ausgeführt, dass ehemalige und aktive Staatsdiener unterschiedlich behandelt werden dürften. Ob sich hieraus eine Erlaubnis zum Einfrieren der Pensionen in NRW ableiten lässt, ist umstritten.

Neue Klage absehbar

Formal ist Rot-Grün bei der Neufassung des Besoldungsgesetzes nicht auf die Zustimmung der Gewerkschaften angewiesen. Dennoch sei Ministerpräsidentin Kraft nach den juristischen Gefechten der vergangenen eineinhalb Jahre um „politischen Rückhalt“ bei den Funktionären von DGB und Beamtenbund bemüht, heißt es. Sie mache gleichwohl deutlich: Je höher der Nachschlag für 2013 und 2014 ausfalle, desto fantasievoller müsse man bei der Übertragung des Tarifergebnisses 2015 sparen. Auch ein Stellenabbau sei kein Tabu mehr.

Unabhängig davon dürfte das neue Besoldungsgesetz wieder beklagt werden. Die zuständige Kammer des Verwaltungsgerichts Düsseldorf könnte anhängige Klagen von Lehrern, Polizisten oder Richtern gegen ihre Alimentation in den Jahren 2013 und 2014 dorthin verweisen, wo das Unheil für Rot-Grün seinen Lauf nahm: zum Verfassungsgericht Münster.