Tel Aviv/Gaza/Kairo. Im blutigen Gaza-Konflikt schweigen endlich die Waffen. Israelische und palästinensische Unterhändler führen indirekte Gespräche. Die vereinbarte Feuerpause wird bislang eingehalten — und Israel ist offenbar bereit, sie über Freitag hinaus zu verlängern.
Israel will die zunächst für drei Tage ausgerufene Waffenruhe mit militanten Palästinensern im Gazastreifen über Freitag hinaus verlängern. Ein israelischer Regierungsvertreter sagte der Nachrichtenagentur dpa am Mittwoch, sein Land sei bereit, die Feuerpause ohne Bedingungen auszuweiten. Nach vier Wochen blutiger Angriffe war die Waffenruhe am Dienstag in Kraft getreten. Ägypten bemühte sich um eine längerfristige Beruhigung der Lage.
Auch am zweiten Tag der Feuerpause kam es bis zum Abend nicht zu neuen Verstößen. Israel schickte am Mittwoch rund 27 000 Reservisten wieder nach Hause.
Mit dem Schweigen der Waffen treten Bemühungen um eine Verlängerung der 72-stündigen Feuerpause in den Vordergrund, die zunächst bis zum Freitag 08.00 Uhr Ortszeit (07.00 Uhr MESZ) galt. Israelische und palästinensische Unterhändler tauschten in Kairo über ägyptische Vermittler Papiere mit ihren jeweiligen Forderungen aus.
Israel werde die Sicherheit seiner Grenzorte auch künftig gewährleisten und notfalls gegen neue Tunnelbauten vorgehen, sagte der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu in Jerusalem. Israel bedauere "zutiefst jedes zivile Opfer". Nicht das Volk von Gaza sei Israels Feind, sondern die radikal-islamische Hamas.
65.000 Menschen haben ihre Bleibe verloren
Die einmonatige Offensive Israels im Gazastreifen hat dort schwere Zerstörungen hinterlassen. 65 000 Menschen haben nach UN-Angaben keine Bleibe mehr. 187 000 Menschen halten sich nach Angaben des Sprechers des UN-Palästinenserhilfswerks UNRWA, Chris Gunnes, weiterhin in 90 UN-Schutzräumen auf.
Israelische und ägyptische Unterhändler hatten in der Nacht zum Mittwoch in Kairo mehrere Stunden lang über eine dauerhafte Waffenruhe beraten. Die israelische Delegation war am Dienstagabend eingetroffen. Sie verließ Kairo nach dpa-Informationen noch vor Mitternacht und kehrte am Mittwoch zurück.
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Israel fordert als Bedingung für einen Wiederaufbau des zerstörten Gazastreifens eine Entmilitarisierung des schmalen Küstengebiets und eine Entwaffnung der militanten Organisationen. Dies lehnt die radikal-islamische Hamas bislang kategorisch ab.
Die Palästinenser fordern eine Aufhebung der jahrelangen Blockade des Gazastreifens. Dabei nennen sie den Bau eines See- und Flughafens in Gaza, eine Aufhebung von Einschränkungen bei der Geldüberweisung und eine Ausweitung der Fangzone für Fischer. Sie verlangen auch die Freilassung von Häftlingen.
Die USA werden nach Angaben der Regierung in Washington vermutlich an weiteren Gesprächen in Kairo teilnehmen. US-Außenminister John Kerry sagte dem britischen Fernsehsender BBC, die Gespräche in Kairo müssten Wegbereiter für breiter angelegte Verhandlungen in Richtung einer Zwei-Staaten-Lösung sein, um einen dauerhaften Frieden in der Region zu sichern.
1875 Palästinenser getötet — 430 Kinder, 243 Frauen, 79 Alte
Seit Beginn der israelischen Offensive vor einem Monat wurden nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums 1875 Palästinenser getötet und 9567 weitere verletzt. Unter den Toten seien 430 Kinder, 243 Frauen und 79 ältere Menschen, teilte der Sprecher der Behörde, Aschraf al-Kidra, mit.
Der Präsident des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) machte sich im Gazastreifen selbst ein Bild von den Zerstörungen und der Lage der Verletzten. "Ich habe noch nie so massive Zerstörungen gesehen", teilte Peter Maurer nach einem Besuch des Viertels Sadschaija mit. "Ich bin zutiefst schockiert über das, was ich gesehen habe, und empfinde Wut darüber, dass wir nicht verhindern konnten, was passiert ist."
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon forderte, den Kreis aus Aufbau und Zerstörung im Gazastreifen zu durchbrechen. "Müssen wir so weitermachen? Aufbauen, zerstören, aufbauen, zerstören", sagte er in der UN-Vollversammlung in New York. "Wir werden wieder aufbauen. Aber diesmal muss es das letzte Mal sein. Das muss aufhören." Beide Völker hätten das Recht frei von Furcht zu leben. (dpa)