Rom. . Die Stürme im Mittelmeer nehmen ab, immer mehr Flüchtlinge machen sich auf den gefährlichen Weg nach Europa. Erneut sind etwa 700 Migranten von der italienischen Marine südlich der Insel Lampedusa im Mittelmeer aufgegriffen worden. Unter den Geretteten waren Dutzende Kinder und Frauen. Schon in den vergangenen Tagen hatte die Marine Tausende auf See gerettet. Italine fordert Hilfe aus Europa.
4000 Gerettete innerhalb von nur 48 Stunden, 18 000 seit Jahresanfang – und wer weiß, wie viele noch übers Mittelmeer kommen von den „mehr als 500 000 Flüchtlingen und Migranten“, die Italiens Behörden abfahrbereit in Libyen vermuten. Italiens Innenminister Angelino Alfano schlägt die Alarm: Es wird Frühjahr, das Meer glättet sich. Die Menschen machen sich auf den Weg.
Flucht aus den Krisenländern
Das Jahr könnte dramatisch werden. Waren im ersten Vierteljahr 2013 nur 800 Flüchtlinge an Italiens Küsten gelandet, so zählte man zwischen Januar und März 2014 mehr als fünfzehnmal so viel. Auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen warnt: „Das Andauern der humanitären Krisen in Zentalafrika und insbesondere auch in Syrien macht die Voraussage plausibel, dass die Zahlen dieses Jahr steigen werden.“ Innenminister Alfano sagt: „Es ist schwer vorstellbar, dass ein Land das alleine bewältigt; die Europäische Union darf sich nicht zur Seite drehen.“
Alfano sieht in der politischen Instabilität an den Südküsten des Mittelmeers – insbesondere im Hauptdurchgangsland Libyen – das größte Problem für die Eindämmung der Menschenströme aus dem Inneren Afrikas: Wie soll man da zu bilateralen Verträgen kommen?
Libysche Banden machen Geschäfte
Und Italiens Geheimdienste spielen den Medien ihre Dossiers zu: Demnach gibt es unter den diversen bewaffneten Banden, die sich Libyens Anarchie aufteilen, etwa 500, die glänzende Geschäfte mit den afrikanischen Schleusern machen und die dann jene Lager unterhalten, in denen an der libyschen Nordküste die nach Europa Strebenden zusammengepfercht werden.
Eines immerhin hat sich geändert. Seit dem Schiffbruch vor Lampedusa am 3. Oktober vergangenen Jahres, bei dem in einem einzigen Augenblick 366 Eritreer ums Leben gekommen sind, hat Italien seine Patrouillen im Mittelmeer erheblich verstärkt. Das Projekt heißt „Mare Nostrum“ („Unser Meer“), wird von der Marine geführt und kostet jeden Monat neun Millionen Euro. Unter dem ausdrücklichen Einsatzbefehl „Nie wieder eine Flüchtlingstragödie!“ soll es Boote in Seenot schon frühzeitig bergen – was das gemeinsame europäische Grenzschutzprojekt „Frontex“ nicht schafft – und hat tatsächlich bereits tausende von Migranten vor dem Ertrinken bewahrt.
Eine Rettungsgarantie
Nur muss sich Rom jetzt aus dem trockenen Nordeuropa und aus dem EU-Brüssel ganz neue Kritik anhören. Hieß es bis zur x-ten Schiffbruch vor Lampedusa, Italien tue nicht genug, um humanitäre Katastrophen abzuwenden, wirft man dem Land nun vor, „Mare Nostrum“ stelle praktisch eine Rettungsgarantie für alle dar und locke Einwanderung geradezu an. Italiens Geheimdienste wollen festgestellt haben, dass wegen des erheblich verminderten Risikos die Tarife für die Überfahrt gesunken seien.