Münster. Mit 91,5 Prozent der Stimmen ist Christian Lindner als FDP-Landeschef in NRW wiedergewählt worden. Auf dem FDP-Landesparteitag am Samstag in Münster kündigte Lindner einen Marathonlauf der Liberalen an, um 2017 wieder in den Bundestag zurückzukehren.

Der Mann kämpft. 75 Minuten wehrt sich Christian Lindner gegen das Vergessenwerden der Liberalen. Der FDP-Landeschef muss in der Provinz kräftig mit den Flügeln schlagen, um in Berlin überhaupt gehört zu werden. Der FDP-Landesparteitag in Münster dient Lindner als Bühne, weil der Bundestag als Forum für den FDP-Chef nach der Wahlpleite im Herbst lange versperrt bleibt.

Der Mann mit den drei Hüten – Bundes-, Landes- und Fraktionschef – sieht die NRW-FDP als Stabilitätsanker für einen Neuanfang der Gesamtpartei. „Wir sind noch in der Phase der Neuaufrichtung“, räumt Lindner ein. In Umfragen dümpeln die Liberalen bundesweit zwischen drei und vier Prozent, bisher ist der Lindner-Effekt nicht messbar. Der 35-Jährige hetzt durch Talk-Shows und die Kreisverbände – der „Trümmermann“ ist mit der Aufgabe der liberalen Ein-Mann-Spitze aber fast überfordert.

Rentenreformen zu teuer, Schulden zu hoch

Vor den 400 Delegierten in Münster arbeitet sich Lindner an der Bundespolitik ab. Die Rentenreformen zu teuer, die Schulden zu hoch, die Eingliederungshilfe zu spät. In der Bundesregierung gebe es eine gefährliche Verliebtheit am Status Quo. „Wir sind in Deutschland dabei, unsere wirtschaftliche Stärke zu verspielen“, mahnt der Chef der Außerparlamentarischen Opposition im Bund.

Im tiefen Tal der Tränen lobt Lindner den Bekennermut der bundesweit 3500 Neu-Mitglieder, die nicht wegen der Karriere, sondern aufgrund des liberalen Programms beigetreten seien. Lindner warnt die FDP davor, beim Neuanfang wie früher zu häufig auf schnelle Effekte zu setzen – um den Preis des Verlustes der Seriosität. Die neue FDP setzt auf Substanz und Courage, keine Schnellschüsse. „Dabei darf die FDP nicht rund geschliffen sein wie ein Kieselstein.“

Die FDP und die Angst vor der politischen Bedeutungslosigkeit

Manches auf dem Parteitreffen wirkt wie das Pfeifen im dunklen Wald. Die Angst vor der politischen Bedeutungslosigkeit ist spürbar.

Die FDP will – und muss - das Wahljahr 2017 deshalb zum Doppelschlag nutzen. Bei der Bundes- und Landtagswahl. „NRW ist das entscheidende Terrain für den Wiederaufstieg der Bundespartei“, glaubt Lindner. Dass das nicht leicht wird, ist dem FDP-Frontmann schmerzlich bewusst. „Wenn die FDP eine Aktie wäre, müsste man sagen, es sind Kaufkurse.“ Ein Risikopapier wäre es allemal.

Kritik an der "Geisterfahrt der Grünen"

In der Sachanalyse kritisiert Lindner die „Selbsthypnose“ der anderen Parteien in der Energiepolitik. NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) habe die industriepolitischen Interessen auf dem grünen Altar geopfert. „Bei der Geisterfahrt der Grünen sitzt Kraft auf dem Beifahrersitz“, dröhnt der FDP-Chef. Die Basis spendet dankbar Beifall.

In freier Rede räumt Lindner ein, dass er nach dem Rauswurf der Liberalen aus dem Bundestag die Sorge gehabt habe, dass die Partei im Streit auseinander fallen würde. Durch Geschlossenheit sei dieses Debakel verhindert worden. Mit 91,5 Prozent Zustimmung erreicht der Landeschef bei seiner Wiederwahl einen guten Wert – bei der letzten Wahl waren es noch 97 Prozent.

Mit dem neuen Generalsekretär Johannes Vogel und Schatzmeisterin Marie-Christine Ostermann holt sich Lindner zwei Medienprofis an die Seite, die ihn im Tagesgeschäft entlasten sollen. Für einen allein ist die Aufgabe doch zu groß.