Düsseldorf. . Bespuckt, getreten, gedemütigt: Viele Polizisten sind in ihrer täglichen Arbeit immer öfter Gewalt ausgesetzt. Die Beamten fühlen sich immer öfter von ihren Dienstherren im Stich gelassen. Die Polizeigewerkschaft fordert schärfere Gesetze. Kriminologe rät, eher um Verständnis für den Beruf zu werben.

Alle 50 Minuten wird in Nordrhein-Westfalen ein Polizist zur Zielscheibe eines Angriffs – nicht nur die Gewerkschaften verlangen, gegen die Täter härter vorzugehen. Die CDU forderte gestern eine Mindestfreiheitsstrafe von einem halben Jahr bei Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. „Wir müssen diejenigen schützen, die in brenzligen Situationen für die Bürger den Kopf hinhalten“, sagte ihr Innenexperte Theo Kruse im Landtag.

Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) will darüber hinaus, dass Attacken auf Polizisten in einem eigenen Strafrechtsparagraphen geregelt werden. Pünktlich zur Fachanhörung im Innenausschuss veröffentlichte sie aktuelle Zahlen. Danach stieg die Zahl der Beamten, die „verbal attackiert, bespuckt, beleidigt, getreten oder geschlagen“ wurden, 2013 im Vergleich zum Vorjahr um 1000 auf 11 780 Fälle. Dabei seien mehr als 1800 Polizisten verletzt worden, sechs von ihnen schwer.

GdP-Landeschef Arnold Plickert kritisierte „Gewaltexzesse“, auf die der Gesetzgeber mit einem „deutlichen Signal“ reagieren müsse. „Der Großteil der Angriffe findet bei Routineeinsätzen statt“, sagte er, nannte beispielhaft Personen- und Verkehrskontrollen, Einsätze wegen Ruhestörung, bei Demos oder Fußballspielen.

Immer häufiger reiche aber auch schon das bloße Erscheinen der Beamten als Auslöser für einen Angriff. „Das ist eine neue Qualität der Gewalt“, so Plickert.

„Schulbesuche können helfen“

Von einer Strafverschärfung sollen nach Ansicht der CDU auch Feuerwehrleute, Katastrophenschützer und Rettungsdienste profitieren. „Dies kann zur Gewaltreduzierung führen“, meinte auch Erich Rettinghaus für die Polizeigewerkschaft. Das blieb am Donnerstag aber nicht unwidersprochen. SPD und Grüne lehnen die CDU-Initiative ab. Es sei nachgewiesen, dass „die Höhe der Strafandrohung keinen Einfluss hat auf die Begehung einer Straftat“, befand auch Professor Thomas Feltes (Uni Bochum).

Der Kriminologe riet der Politik, mit der Forderung nach härteren Strafen zurückhaltend zu sein. Sie erwecke ansonsten den Eindruck, sich nicht um die komplexen Ursachen eines sozialen Phänomens kümmern zu wollen. Das Pfeiffer-Institut in Hannover sprach einer Mindeststrafe allenfalls eine „symbolische Wirkung“ zu. Es riet Polizisten, für mehr Verständnis zu werben, etwa mit regelmäßigen Schulbesuchen. „Die Polizei hat es selbst in der Hand, das Vertrauen und den Respekt zu erhöhen“, so Vize-Direktor Dirk Baier. Außerdem müssten gefährliche Einsätze intern besser nachbereitet werden.

Folgt man einer Studie unter NRW-Polizisten, so hat aber auch das Klima innerhalb des Apparats Schaden genommen. Laut Plickert verzichten vier von zehn Gewalt-Opfer unter den Beamten auf eine Anzeige, weil sie in die Justiz oder ihre Behördenleitung zu wenig Vertrauen hätten. In Niedersachsen werde jedes dritte Verfahren eingestellt, so Baier. Dort beklagten Polizisten, dass Gewalttäter zu oft mit einer Geldstrafe davonkommen. „Das Verhältnis zur Justiz ist angespannt“, sagte der Kriminologe.