Peking/Pjöngjang. . Bei den Parlamentswahlen in Nordkorea erhielt Kim Jong Un in seinem Wahlkreis keine einzige Gegenstimme. Ein Expertenbericht der Vereinten Nationen wirft dem Regime Unterdrückung, Folter und schwere Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor. Vor diesem Hintergrund ist der Urnengang eine Farce.
Das hat es nicht einmal in der DDR gegeben. 100 Prozent haben gewählt, nicht eine Stimme war ungültig. Und sie gingen allesamt an die Arbeiterpartei Koreas und ihren ersten Parteisekretär Kim Jong Un, seines Zeichens „Oberster Führer“ von Nordkorea. Damit hat er bei den Wahlen am Sonntag in seinem Wahlkreis die „volle Zustimmung der Bürger“ erhalten, berichtet der staatliche Fernsehsender KCTV am Montag.
Das Ergebnis sei „Ausdruck der absoluten Unterstützung, des tiefen Vertrauens der Streitkräfte und des Volkes in den obersten Führer“. Auch Kims Wahlbezirk hat es in sich. Er heißt Paektu und ist benannt nach dem gleichnamigen Berg in Nordkorea, der als heilig verehrt wird. Angeblich wurde Kims Vater einst dort geboren. Auch er hatte bei den Wahlen stets 100 Prozent aller Stimmen auf sich vereinen können.
Ergebnisse stets einstimmig
In Nordkorea haben am Sonntag die Wahlen zur Obersten Vollversammlung stattgefunden – eine Scheinwahl. Denn auf dem Stimmzettel steht jeweils nur ein vorher von der Arbeiterpartei bestimmter Kandidat zur Auswahl. Angekreuzt werden kann lediglich ein „Ja“ oder ein „Nein“. Wer nicht wählen geht, muss mit Strafen rechnen.
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Von Belang sind die Wahlen aber ohnehin nicht. Die rund 600 Delegierten kommen gerade einmal ein- oder zwei Mal im Jahr zusammen. Ob es bei diesen Sitzungen hinter den Kulissen wirklich zu handfesten politischen Auseinandersetzungen kommt, ist nicht bekannt. Berichtet wird darüber zumindest nicht. Die Abstimmungsergebnisse sind immer eindeutig: einstimmig.
Onkel hingerichtet
Ausländische Beobachter hatten gehofft, dass es bei dieser Wahl zumindest zu einer gewissen Brisanz kommen könnte. Denn es handelt sich um die ersten Wahlen unter der Herrschaft des seit etwas mehr als zwei Jahren herrschenden Machthabers Kim Jong Un. Der wahrscheinlich gerade einmal 30-jährige Diktator hat erst vor drei Monaten seinen einst mächtigen Onkel von all seinen Posten enthoben und hinrichten lassen. Mit ihm sind wahrscheinlich Tausende seiner Anhänger ums Leben gekommen.
Nordkorea-Experten dachten, anhand der Kandidatenliste ließe sich vielleicht erkennen, wie weit der interne Machtkampf gediehen ist. Doch weit gefehlt. Es tauchten zwar viele neue Namen auf. „Aber wofür sie stehen ist nicht bekannt“, sagt Andrei Lankov, russischer Experte an der Kookmin-Universität im südkoreanischen Seoul. Lankov spricht von einer „leeren Show“. Sein Kollege Michael Madden hatte die Wahl als eine „bestmögliche Einschätzung der Bevölkerung“ für die nordkoreanische Führung bezeichnet, wie sehr das Volk noch hinter ihr stehe. Doch auch er kann aus dem Ergebnis bislang nur wenig Aufschlussreiches herauslesen.
Schwerste Verbrechen
Eine Untersuchungskommission der Vereinten Nationen hatte Mitte Februar eine Studie veröffentlicht und in einer bislang nie dagewesener Deutlichkeit dem Regime in Pjöngjang „schwerste Verbrechen“ vorgeworfen, „die in der heutigen Welt keinen Vergleich kennen“. In dem fast 400-seitigen Bericht werden „Ausrottung, Mord, Versklavung, Folter, Haft, Vergewaltigung, erzwungene Abtreibungen“ aufgelistet. Hinzu kämen Zwangsumsiedlungen und das gezielte Aushungern großer Teile der Bevölkerung. Die Kommission stützt sich auf Berichte von mehr als 80 Nordkoreanern, die in den vergangenen Jahren flüchten konnten.
In dem Bericht werden auch vier große Lager beschrieben, in denen bis zu 120 000 Gefangene interniert sind, zum großen Teil aus politischen Gründen. Ein ehemaliger Häftling berichtet von Verhungerten, die er zu verbrennen und ihre Asche als Dünger zu verteilen hatte. Andere seien gezwungen worden, ihre unterernährten Babys mit Mäusen zu füttern.
Ein Fall für den Internationalen Gerichtshof
Das Expertenteam dieses Berichts rief dazu auf, das nordkoreanische Regime vor den Internationalen Gerichtshof in Den Haag zu stellen. Kommissionsleiter Michael Kirby geht von mehreren hundert Menschen aus, die für diese „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ verantwortlich seien. Kirby wagte gar einen Vergleich mit den Verbrechen der Nazis während des Zweiten Weltkriegs. Fortan werde niemand mehr behaupten können: „Wir wussten das nicht.“