Kiew. Nach der Einigung auf einen Fahrplan zur Lösung der Ukraine-Krise entgleitet Präsident Viktor Janukowitsch immer mehr die Macht. Das Parlament stimmte am Samstag für die sofortige Freilassung der inhaftierten Oppositionsführerin Timoschenko - und erklärte den Staatschef für abgesetzt.
Auch nach der Einigung vom Freitag bleibt die Lage in der Ukraine angespannt. Präsident Viktor Janukowitsch hat sich aus Kiew abgesetzt, dort haben die Regierungsgegner das Ruder übernommen. Die Ereignisse und Entwicklungen des Tages im Überblick:
17:19 Uhr: Die aus der Haft entlassene ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko will bei der nächsten Präsidentenwahl antreten. Das sagte die Politikerin kurz nach ihrer Freilassung der Agentur Itar-Tass zufolge.
17:14 Uhr: Timoschenko ist frei, das berichtet auch ein Reporter der Nachrichtenagentur afp. Sie habe das Krankenhaus in Charkow verlassen und ihren jubelnden Anhängern aus dem Auto zugewinkt.
16:50 Uhr: Ist Oppositionsführerin Julia Timoschenko jetzt frei? Zumindest meldeten das die Agenturen Unian und Itar-Tass.
16:24 Uhr: Das ukrainische Parlament hat Präsident Viktor Janukowitsch für abgesetzt erklärt und Neuwahlen für den 25. Mai angeordnet. Der Staatschef übe sein Amt nicht aus und habe sich widerrechtlich Vollmachten angeeignet, erklärten die Abgeordneten.
16:05 Uhr: Das ukrainische Militär will sich nicht in den Machtkampf in der früheren Sowjetrepublik einmischen. "Als Offizier werde ich keine verbrecherischen Befehle erteilen", sagte Generalstabschef Juri Iljin am Samstag in Kiew. Die Verfassung des Landes untersage den Streitkräften eine Einmischung in innere Konflikte.
Janukowitsch sieht sich weiter als "rechtmäßig gewählter Präsident"
15:37 Uhr: Der russische Außenminister Sergej Lawrow wirft der ukrainischen Opposition vor, sie halte sich nicht an die Abmachung, die sie am Freitag mit Präsident Janukowitsch unterzeichnet habe. Deutschland, Frankreich und Polen müssten ihren Einfluss auf die Opposition nutzen, um das sofort zu ändern. Die Opposition werde von "bewaffneten Extremisten und Pogrom-Anstiftern" angeführt, deren Aktionen eine direkte Bedrohung für die Souveränität und die verfassungsrechtliche Ordnung der Ukraine seien.
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15:23 Uhr: Janukowitsch sagte in einem Interview mit einem Lokalsender in Charkow, er sehe sich weiterhin als "rechtmäßig gewählter Präsident" des Landes. Gegenüber der Agentur Interfax sagte er, die Lage in der Ukraine ähnele der bei der Machtergreifung der Nazis in Deutschland.
15:15 Uhr: Doch kein Rücktritt des Präsidenten: Viktor Janukowitsch sagte russischen Agenturen zufolge, er werde weder das Land verlassen noch den jüngsten Entscheidungen des Parlaments zustimmen.
EU-Delegation nach Kiew aufgebrochen
15:05 Uhr: Eine vom deutschen CDU-Abgeordneten Elmar Brok angeführte Delegation des Europaparlaments ist nach Kiew aufgebrochen. Die zwölf Abgeordneten verschiedener Fraktionen wollen Parlamentarier in der ukrainischen Hauptstadt treffen und eine weitere Unterstützung debattieren. Die Mission anlässlich der anhaltenden politischen Krise in der Ukraine solle bis Montag dauern. Von den Grünen ist deren Co-Fraktionsvorsitzende Rebecca Harms dabei.
14:46 Uhr: Nach Angaben von Julia Timoschenkos Tochter Jewgenia steht die Freilassung der Oppositionsführerin unmittelbar bevor. "Nach ukrainischem Recht ist meine Mutter schon eine freie Person", sagte Jewgenia Timoschenko. Sie werde noch am Samstag nach Charkow reisen, wo ihre Mutter inhaftiert ist. Zurzeit wird Julia Timoschenko in Charkow wegen ihres Rückenleidens in einem Krankenhaus behandelt.
14:31 Uhr: Janukowitsch ist nach Angaben der Opposition zum Rücktritt bereit. In einem Telefonat mit Oppositionsführer Arseni Jazenjuk habe Janukowitsch einem Rücktritt zugestimmt, sagte der Parlamentsabgeordnete Mikola Katerintschuk von Jazenjuks Vaterlandspartei am Samstag. "Wir warten auf seine schriftliche Bestätigung", sage der Abgeordnete.
Verwirrung um Freilassung Julia Timoschenkos
14:05 Uhr: Die Sprecherin von Julia Timoschenkos Partei dementiert den Fernsehbericht: Die ukrainische Oppositionsführerin sei noch nicht in Freiheit, sagte Natalia Lyssowa.
13:34 Uhr: Geht es doch schneller als gedacht? Einem unbestätigten Medienbericht zufolge ist Julia Timoschenko bereits frei. Das meldete der Internetsender hromadske.tv am Samstag.
13:17 Uhr: Die Lage in der Ukraine bleibt laut Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) trotz eines Abkommens zwischen den Konfliktparteien "höchst fragil". "Die Vereinbarung ist keine Garantieerklärung für eine friedliche Entwicklung der Ukraine mit einer politischen Zukunft, die das Land beieinander hält", sagte Steinmeier nach seiner Rückkehr aus Kiew am Samstag bei einer Veranstaltung im hessischen Hofgeismar.
13:07 Uhr: Die Tochter von Oppositionsführerin Julia Timoschenko kündigt an, noch am Samstag nach Charkow zu reisen, wo ihre Mutter inhaftiert ist. Sie signalisiert damit die Hoffnung auf eine baldige Freilassung der Janukowitsch-Rivalin.
Osten bezweifelt Rechtmäßigkeit der Parlamentsbeschlüsse
12:43 Uhr: Die östlichen Landesteile der Ukraine erklären, dass der Staat zusammengehalten werden müsse. Zugleich stellen sie aber die Rechtmäßigkeit der jüngsten Beschlüsse des Parlaments in Kiew infrage. Der Osten der Ukraine ist die Hochburg des umstrittenen Präsidenten Janukowitsch.
12:33 Uhr: Das Parlament in Kiew stimmt dafür, dass die Freilassung von Oppositionsführerin Julia Timoschenko nicht mehr von Präsident Viktor Janukowitsch bestätigt werden muss.
12:19 Uhr: Das ukrainische Parlament wählt den Oppositionsabgeordneten Arsen Awakow zum neuen Innenminister. Er soll das Amt solange bekleiden, bis eine neue Koalitionsregierung gebildet wird.
Timoschenko-Vertrauter zum Parlamentspräsidenten gewählt
11:35 Uhr: Das ukrainische Parlament wählt Olexander Turtschinow zu seinem Präsidenten. Er ist ein Vertrauter der inhaftierten Oppositionsführerin Julia Timoschenko. Am Morgen war Parlamentspräsident Wolodimir Rybak, ein Vertrauter von Präsident Janukowitsch, zurückgetreten.
11:01 Uhr: Das ukrainische Innenministerium ruft die Bürger zur Zusammenarbeit mit der Polizei auf, um die Ordnung wiederherzustellen. Das Ministerium unterstütze den Wunsch nach einem politischen Wandel, hieß es in einer Erklärung.
09:46 Uhr: Der ukrainische Oppositionsführer Vitali Klitschko fordert bei einer Krisensitzung des Parlaments rasche Neuwahlen. Diese seien die einzige Option.
Polizei in Kiew auf Seiten der Opposition gewechselt
Das ukrainische Innenministerium ruft die Bürger zur Zusammenarbeit mit der Polizei auf, um die Ordnung wiederherzustellen. Das Ministerium unterstütze den Wunsch nach einem politischen Wandel, hieß es in einer Erklärung.
Der ukrainische Parlamentschef Wladimir Rybak hat unterdessen seinen Rücktritt erklärt. Das gab sein Stellvertreter Ruslan Koschulinski am Samstag in der Obersten Rada in Kiew bekannt. Rybak, ein Vertrauter von Präsident Viktor Janukowitsch gab gesundheitliche Gründe für den Schritt an.
Medienberichten zufolge soll er sich am Vorabend gemeinsam mit Janukowitsch ins ostukrainische Charkow abgesetzt haben, wo dieser seine Machtbasis hat. Dort könnte Janukowitsch Berichten zufolge an einem Kongress der Ukrainischen Front teilnehmen, zu der sich Delegierte aus dem prorussischen Osten und Süden der Ex-Sowjetrepublik versammeln.
Nach anderen Berichten hat Janukowitsch dagegen das Land verlassen. Experten schließen nicht aus, dass die Ukrainische Front in Charkow einen gewaltsamen Vorstoß gegen die Regierungsgegner beschließen könnte.
Regierungsgegner sagen, sie haben Kontrolle über Kiew
In Kiew haben unterdessen die Regierungsgegner nach eigenen Angaben die Macht im Regierungsviertel ergriffen. Selbstverteidigungskräfte hätten die Kontrolle über das Parlament, den Regierungssitz und die Präsidialkanzlei übernommen, sagte Andrej Parubij, der Kommandant des Protestlagers, am Samstagmorgen auf dem Unabhängigkeitsplatz (Maidan).
Tausende Menschen harrten dort in der Nacht aus. Sie kritisieren, ein vorläufiges Abkommen Janukowitschs mit der parlamentarischen Opposition sei nicht ausreichend. Darin hatten die Konfliktparteien unter EU-Vermittlung vorgezogene Präsidentenwahlen, eine Übergangsregierung und eine neue Verfassung vereinbart. In den vergangenen Tagen waren bei Zusammenstößen von Regierungsgegnern mit der Polizei in Kiew mindestens 77 Menschen getötet worden.
Sicherheitskräfte haben Maidan verlassen
"Wir fordern den sofortigen Rücktritt des Präsidenten", sagte Parubij. Falls Janukowitsch offiziell zurücktreten sollte, übernähme laut Verfassung der Regierungschef die Führung des Landes. Dieses Amt hat derzeit kommissarisch Sergej Arbusow inne, der als Vertrauter Janukowitschs gilt.
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"Jetzt kontrolliert der Maidan ganz Kiew", behauptete Parubij, der Abgeordneter der Vaterlandspartei der inhaftierten Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko ist. Die sogenannten Selbstverteidigungskräfte fuhren in Lastwagen durch das Regierungsviertel. "Wir haben den Polizisten gesagt, dass sie zum Maidan überlaufen können, und wir sind zu gemeinsamen Patrouillen bereit", sagte Parubij. Die Sicherheitskräfte hatten das Stadtzentrum am Vorabend verlassen.
In rund zwei Dutzend Städten stürzten Regierungsgegner Statuen des sowjetischen Revolutionsführers Lenin. Er gilt ihnen als Symbol des alten Regimes, dessen Vertreter noch im sowjetischen System groß geworden sind. (dpa/afp/rtr)