Berlin. Nachdem bekannt geworden ist, dass die NSA vermutlich auch Alt-Kanzler Gerhard Schröder ausgespäht hat, reagiert dieser mit scharfen Worten. Er wirft der USA Respektlosigkeit vor. Der Kern des Problems sei “das ungeheure Misstrauen der Amerikaner gegenüber einem Bündnispartner“, klagt Schröder in einem Interview.
In der Spionageaffäre um abgehörte Telefonate durch den US-Geheimdienst NSA hat Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) schwere Vorwürfe gegen die US-Regierung erhoben. "Die USA haben keinen Respekt vor einem loyalen Bündnispartner und der Souveränität unseres Landes", sagte er der "Bild"-Zeitung.
Angesichts neuer Berichte über eine NSA-Abhöraktion gegen ihn in seiner Zeit als Bundeskanzler bekräftigte Schröder, er habe ein solches Vorgehen der USA "nicht für möglich" gehalten. "Dass sich Staaten gegenseitig ausspionieren, ist zwar keine neue Erfahrung. Aber das Telefon einer Bundeskanzlerin oder eines Bundeskanzlers abzuhören, geht eindeutig zu weit."
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Der Kern des Problems sei "das ungeheure Misstrauen der Amerikaner gegenüber einem Bündnispartner, der ein hohes Maß an Solidarität gezeigt hat", ergänzte Schröder unter Verweis auf die deutsche Beteiligung am internationalen Afghanistan-Einsatz. Zum Irak-Krieg habe seine Regierung aus guten Gründen Nein gesagt. "Eine solche Haltung gilt es zu respektieren. Das gilt auch für die USA." Was die NSA bei der Abhöraktion erfahren habe, könne er nicht rekonstruieren. Sicher sei aber, dass alle wichtigen Gespräche zu außen- und sicherheitspolitischen Themen während seiner Amtszeit im Kanzleramt stattgefunden hätten.
Justizminister Maas kritisiert NSA für "willkürliche Massenüberwachung"
Derweil wird der Ton zwischen Berlin und Washington schärfer. Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) warf dem US-Geheimdienst am Mittwoch vor, willkürliche Massenüberwachung zu betreiben. "Der Schutz der Sicherheit scheint für die NSA nur ein Deckmantel zu sein, um ungebremst Daten zu sammeln", sagte Maas "Spiegel Online". "Wer Kanzlerhandys abhört, der liefert jedenfalls damit keinen Beitrag zum Schutz vor Terroranschlägen."
Trotz großen Widerstands in Washington bestehe man auf einem Anti-Späh-Abkommen mit den USA. "Auch wenn das mit den Amerikanern nicht einfach wird, müssen wir weiter auf internationale Abkommen drängen", sagte er. "Wir dürfen nichts unversucht lassen, um die Daten der Menschen in Deutschland besser zu schützen."
Regierungssprecher Steffen Seibert sagte nach neuen Berichten über eine mögliche NSA-Aktion gegen den damaligen SPD-Kanzler Gerhard Schröder in den Jahren 2002 und 2003, die Bundesregierung habe diese Informationen zur Kenntnis genommen. Zu den Hinweisen lägen keine eigenen Erkenntnisse vor. Es gehe aber nicht in erster Linie um Kanzlerin Angela Merkel (CDU) oder einen möglicherweise betroffenen Altkanzler, sondern um den Schutz der Bürgerrechte. "Und es geht um das Vertrauen, das notwendig ist in einer Partnerschaft", sagte Seibert. Wenn man dieses Vertrauen beschädige, werde man am Ende nicht mit mehr, sondern mit weniger Sicherheit dastehen.
Claudia Roth spricht von "Kernschmelze unserer Demokratie"
Der Chef des Bundestagsgremiums zur Kontrolle der deutschen Geheimdienste, Clemens Binninger (CDU), warnte vor einem sich verfestigenden Vertrauensverlust gegenüber den USA. SPD-Innenexperte Michael Hartmann attestierte der US-Regierung eine rücksichtslose Interessenpolitik.
Bundestags-Vizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) bezeichnete das Abhören befreundeter Politiker im Sender MDR Info als "Kernschmelze unserer Demokratie". Der Grünen-Innenexperte Volker Beck verlangte bei "Handelsblatt Online" eine massive Stärkung der deutschen Spionageabwehr. Linken-Fraktionsvize Jan Korte forderte, die Bundesregierung solle bei der Aufklärung der Affäre auf die Hilfe des Informanten Snowden zurückgreifen.
Deutsche Sicherheitskreise halten es für möglich, dass Wortprotokolle abgehörter Telefonate Merkels publik werden. Die von der US-Regierung übermittelten Informationen über jene Dokumente, die wahrscheinlich von Snowden kopiert und entwendet worden seien, gäben darüber aber keinen Aufschluss. In diesen Informationen aus Washington gehe es lediglich um allgemeine Themenbereiche, sie seien recht unkonkret. (dpa/afp)