Aschaffenburg. Die eurokritische AfD zieht mit Parteichef Bernd Lucke und dem früheren Präsidenten des BDI, Hans-Olaf Henkel, an der Spitze in den Europawahlkampf. Unter den Parteimitgliedern ist die Erleichterung spürbar, dass die AfD sich nicht wieder in Grabenkämpfe verstrickt.
So stark ist die Position von Bernd Lucke in der Alternative für Deutschland, dass vereinzelter Widerstand gegen den Parteichef allenfalls zu ahnen ist. Keiner der 300 Delegierten will ihm offen widersprechen an diesem Samstag in Aschaffenburg, inhaltliche Diskussionen bleiben weitgehend aus, sind auch gar nicht vorgesehen. Es geht um die Kandidaten für das Europaparlament, und es wird gewählt und gewählt und gewählt. Alles läuft glatt für Lucke. Er ist die Nummer eins, nun auch auf der AfD-Liste zur Europawahl.
Auffällig, dass Lucke den Austritt aus dem Euro gar nicht erwähnt, wohl aber bei aller Kritik an Brüssel immer wieder betont: "Deutschland ist Teil der EU und soll es bleiben". Gemäßigte Töne. Auch das Wahlplakat mit dem Slogan "Mut zu D EU tschland" - die Lettern EU mit den Europasternen umkränzt - betont die Botschaft: Wir sind nicht gegen Europa. Allerdings: Das schwere Demokratiedefizit sei unbestreitbar, sagt Lucke.
EU-Gebrauchsanweisungen für Schnuller in der Kritik
Natürlich geht es bei der Vorstellung der Kandidaten dann doch nicht ohne populistische Sprüche: Etwa: "Hast du einen Opa, schick ihn nach Europa" über das deutsche Spitzenpersonal in Brüssel. Oder: "Zuwanderung hört da auf, wo die Identität einer Nation gefährdet wird". Thema eines Bewerbers ist auch "Christenverfolgung in der Türkei". Andere kritisieren EU-Gebrauchsanweisungen für Schnuller und Auflagen für Glühbirnen und Klospülungen. Und überhaupt: Wer mehr Steuern zahle, müsse auch mehr Stimmgewicht haben.
Noch einer ist wichtig in Aschaffenburg: Bescheiden in der sechsten Reihe sitzt zunächst Hans-Olaf Henkel, der frühere Präsident des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). Doch als Lucke das neue Parteimitglied Henkel begrüßt, da reißt es die AfDler von den Sitzen, ein Tosen geht durch die Halle. Mancher hatte vor dem Parteitag vermutet, es könnte Streit geben zwischen Lucke und Henkel um Platz eins auf der Liste zur Europawahl, aber die Absprache war längst getroffen. Henkel bekommt Platz zwei.
Wieder lobt Henkel das hohe Bildungsniveau der AfD. Da fühlt er sich wohl. Es ist schon so, wie Parteivize Alexander Gauland am Freitag in der "Frankfurter Allgemeinen" geschrieben hat. Es gibt zwei Gesichter der Partei, und zwei Strömungen. Auf der einen Seite die gebildeten und oft ziemlich elitären Wirtschaftsprofessoren, und auf der anderen die nicht ganz so gebildeten Populisten, die eher nationalkonservativ oder rechts orientiert sind.
Begonnen hat der Tag in Aschaffenburg für die AfD mit Putzen. In der Nacht hatten Gegner die Fassade der Frankenstolz-Arena mit Farbbeuteln beworfen und Parolen hinterlassen: "AfD raus". Schnell sind von den Schmierereien nur noch Spuren zu sehen. Am Nachmittag laufen rund 100 Demonstranten auf, zeigen der AfD den Vogel (in Form einer Stoffpuppe) und schwenken Banner mit harten Vorwürfen: "Euer Rassismus kotzt uns an." Die Demo hat ein Bündnis gegen Rechtspopulismus angemeldet.
Unter den Parteimitgliedern ist die Erleichterung spürbar, dass die AfD sich nicht wieder in Grabenkämpfe verstrickt wie in einigen Landsverbänden. Beim Warten auf Bockwurst und Brezeln tauschen sie sich aus über die zahlreichen innerparteilichen Kämpfe: "Bei uns war wenigstens der Vorstand einer Meinung," sagt einer. Drinnen im Saal wird gewählt und gewählt. Streit um Europa kann es erst wieder auf dem Programmparteitag Ende März in Erfurt geben. (dpa)