Bei ihrer Klausurtagung in Meseberg hat die neue Bundesregierung demonstrativ Geschlossenheit zelebriert. Ungeachtet aller Kritik auch in eigenen Reihen bekennt sich auch die CDU zu den Rentenplänen - und will sie bereits bei der nächsten offiziellen Kabinettsitzung auf den Weg bringen.
Demonstrative Geschlossenheit auch bei den heiklen Themen Energie und Rente haben die Mitglieder des Bundeskabinetts auf ihrer Klausurtagung in Meseberg gezeigt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach nach Abschluss der Beratungen am Donnerstagmittag von "sehr eingehenden Diskussionen", Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) von einem "ausgezeichneten Start". Ressortübergreifend soll ein neues Projekt "Lebensqualität in Deutschland" angeschoben werden.
Im Mittelpunkt der überwiegend informellen Beratungen in Meseberg stand das Jahresprogramm der Regierung für 2014. Merkel bekräftigte anschließend, dass es kommende Woche einen Kabinettsbeschluss zur Rentenreform geben solle: "Ich bin optimistisch, dass wir die Ressortabstimmung bis nächsten Mittwoch schaffen."
Kanzlerin stellt sich hinter Nahles
Ausdrücklich stellte sich die Kanzlerin dabei hinter Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD): "Das Kabinett unterstützt die Bundesarbeitsministerin", sagte sie mit Blick auf die laufenden Beratungen zwischen den Ministerien. Merkel widersprach Vorwürfen, die Regierungspläne für den Ausbau der Mütterrenten und die abschlagsfreie Rente ab 63 für langjährig Versicherte benachteiligten die jüngere Generation. Zuvor hatten Wirtschaftspolitiker der Union die Rente mit 63 erneut kritisiert.
Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) wies empört den Vorwurf zurück, mit den schwarz-roten Rentenplänen würden die Alten die Jungen abkassieren. "Wir reden über Menschen, die in ihrem Arbeitsleben Gewaltiges geleistet haben", verteidigte Gabriel das Vorhaben. Man wolle den Betroffenen "einen fairen Lebensabend ermöglichen". Dies halte er für eine moralische Verpflichtung und einen angemessenen Beitrag zum Zusammenhalt der Gesellschaft. Auch die verbesserte Mütterrente zählte Gabriel dazu. Auf diese Neuregelung hatte vor allem die Union gedrungen.
Das Problem einer Datenlücke bei der Einführung der Rente mit 63 hält Gabriel für lösbar. "Die Daten, die es angeblich nicht gibt, sind selbstverständlich zu organisieren", sagte der Vizekanzler. Dies habe Ministerin Nahles in der Klausur deutlich gemacht.
Ist die Datenlücke zu füllen?
Das Problem stellt sich, weil die vorliegenden Daten für den Zeitraum Juli 1978 bis Januar 2001 nicht zwischen kurz- und langfristiger Arbeitslosigkeit unterscheiden. Wichtig ist die Differenzierung, weil in die nach dem Entwurf für die Rente ab 63 erforderlichen 45 Beitragsjahre nur Zeiten kurzer Arbeitslosigkeit unbegrenzt eingerechnet werden sollen, Dauer- und Langzeitarbeitslosigkeit dagegen nicht. Dies verteidigte Gabriel mit den Worten, damit bleibe der Plan finanzierbar. Wirtschaftsverbände befürchten, dass damit Arbeitnehmer über 61 künftig massenweise entlassen werden könnten - sie erhielten dann ALG bis zur Rente ab 63.
Der Paritätische Wohlfahrtsverband forderte mit Blick auf die Datenprobleme, das Vorhaben fallen zu lassen. "Die Rente ab 63 ist gekennzeichnet durch fragwürdige Ungleichbehandlungen. Man sollte auf dieses Gesetz besser verzichten", sagte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Die geplante Unterscheidung zwischen Beziehern von Arbeitslosengeld I und II führe zu weiteren Ungerechtigkeiten. "Handelsblatt Online" sagte Schneider: "Die praktischen Probleme, die sich nun bei der Umsetzung der Rente mit 63 herausstellen, wären ganz einfach gelöst, wenn man alle vor dem Gesetz gleich behandelt - so wie es unser Grundgesetz vorsieht."
Gabriels Eckpunkte zum EEG gebilligt
Bereits am Mittwoch hatte das Kabinett in Meseberg die Eckpunkte Gabriels für eine Reform des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) gebilligt. Merkel wandte sich nach der Klausurtagung gegen Kritik von Umweltverbänden und Ökostrombranche. Die Politik der Regierung bleibe auf das Ziel ausgerichtet, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2050 auf 80 Prozent zu steigern. "Wir müssen aber schauen, wie können wir kostengünstig den Ausbau erneuerbarer Energien voranbringen."
"Klar muss auch sein, dass am Ende nicht die Summe der Einzelinteressen eine gute Energiepolitik ergibt", betonte Gabriel auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel. Es gebe die Chance, dass die Energiewende "zu einem wirtschaftlichen und ökologischen Erfolg führt", aber "wir müssen aufpassen, dass wir unsere Volkswirtschaft nicht überfordern", sagte der SPD-Chef. "Wir werden mit allen reden", sicherte er aber mit Blick auf die Kritiker seines Konzepts zu.
Besonderen Augenmerk legte das Kabinett in Meseberg auf ressortübergreifende Herausforderungen. Neben der digitalen Agenda nannte Merkel besonders das neue Projekt "Lebensqualität in Deutschland". In Bürgerdialogen solle ermittelt werden: "Was ist den Bürgern wichtig." Neben materiellen Werten dürften dabei auch Fragen wie flexible Arbeitszeiten oder Versorgungssicherheit bei Krankheit eine Rolle spielen.
Kein Kampfeinsatz der Bundeswehr in Afrika
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) gab den Kabinettskollegen am Donnerstagmorgen einen Überblick über aktuelle Krisen und Konflikte. In Zentralafrika will sich Deutschland vorerst zurückhalten. Dort bekämpfen sich christliche und islamistische Milizen - tausende Menschen starben bereits. Frankreich hat bereits Solödaten zur Befriedung geschickt. "Unser Engagement konzentriert sich erst einmal auf die Ausbildungsmission in Mali", betonte dagegen Merkel.
Gabriel lobte die Entscheidung der Kanzlerin, eine Klausurtagung gleich an den Beginn der Regierungsarbeit zu stellen. Für den Sommer wurde nach seinen Worten bereits ein weiteres derartiges Treffen ins Auge gefasst. Merkel äußerte sich auch positiv über die "harmonische Atmosphäre" beim abendlichen Beisammensein. (dpa/afp)