Berlin. Seinen Wechsel ins Innenministerium hätte der ehemalige Verteidigungsminister mit einem leisen „Servus“ begleiten können. Doch anscheinend musste Thomas de Mazière noch einiges loswerden. Er kritisierte die Bündnispartner in der EU und er ließ sein schwieriges Amt noch einmal Revue passieren.
Er hätte leise „Servus“ sagen können. Doch Thomas de Maizière wollte sich nicht zurücknehmen. Als Verteidigungsminister musste er das, jetzt nicht, vor allem nicht an diesem Mittwochabend, als die Bundeswehr ihren abgelösten Oberbefehlshaber mit einem Großen Zapfenstreich verabschiedete. Da musste er zu den Auslandseinsätzen einiges loswerden, was ihm anderntags in Berlin sogleich den Vorwurf einbrachte, er sei frustriert, genervt und bemitleide sich selbst.
„Deutschland“, sagte der CDU-Mann, „braucht von niemandem in Europa Belehrungen über Art und Ausmaß unserer internationalen Einsätze.“ Das gelte ausdrücklich auch für Großbritannien und Frankreich. Und weiter: Deutschland stehe zu seinen Verpflichtungen, auch wenn es innenpolitisch schwierig sei, sagte de Maizière. „Eine Abstimmungsniederlage zur Zustimmung zu einem Einsatz hat eine deutsche Bundesregierung noch nicht erlebt“, fügte er spitz hinzu. Das war an London adressiert: Der britische Premier David Cameron wollte schon in Syrien losschlagen – bis ihn sein eigenes Parlament stoppte.
"Ich wollte stets auch ein kritischer Chef sein"
Er habe seine Rolle immer auch darin gesehen, Fehlentwicklungen offen anzusprechen und Fehler abzustellen. „Ich wollte stets auch ein kritischer Chef sein“, sagte de Maizière und ließ die letzten Jahre vor seinem geistigen Auge Revue passieren. Die Drohnen-Affäre, die schwierige Reform der Streitkräfte: Alles kam wieder hoch. Es klang, als wollte er sich gleichzeitig rechtfertigen und seine Nachfolgerin Ursula von der Leyen (CDU) auf Kontinuität trimmen. Es war eine emotionale Situation. Zapfenstreich, die Abschiedsworte, all das hat de Maizière berührt. Und doch sollte man nicht annehmen, er habe im Affekt gehandelt. Er redete nicht frei, sondern trug ein Manuskript vor. Die Wut-Rede war ein kalkulierter Paukenschlag, kein unbeherrschter Zornesausbruch.
De Maizière wechselt ungern vom Verteidigungs- ins Innenressort. Schon zum zweiten Mal wurde er von Kanzlerin Angela Merkel hin und her geschoben. Gegen sein Naturell hat er in beiden Häusern viele Richtfeste gefeiert, aber offene politische Baustellen hinterlassen. De Maizière wollte vor drei Jahren nicht Verteidigungsminister werden, auch wenn es eine schöne Geschichte zu erzählen gab, die Geschichte vom Vater (einst Generalinspekteur) und Sohn. Aber die Vaterfigur ist für ihn auch „ein Rucksack“, wie er seinem Biografen Stefan Braun erzählte.
Die Truppe ist de Maizière schnell ans Herz gewachsen
Die Truppe war weder Traumjob noch Liebe auf den ersten Blick, aber sie ist ihm schnell ans Herz gewachsen. De Maizière hat gelernt, dass man sie nicht nur mit dem Verstand führen kann. Sie verlange „Herz und Härte“.
So wehmütig wie es klang, ist ihm indes nicht zumute. De Maizière hat sich in seinen Job als Innenminister gestürzt. Der Mann, der gern über Fußball fachsimpelt, sucht wieder eine Bindung zum Spiel. Er steht als Innenminister protokollarisch vor von den Leyen, hat ein breites Ressort – Kirchen, Verfassung, Zuwanderung, innere Sicherheit –, das pannensicherer als die Bundeswehr ist. Auch Wolfgang Schäuble war zweimal Innenminister. Es war nicht das Ende der Fahnenstange. Mit einer CDU-linientreuen Innenpolitik soll er sich für Merkels Nachfolge empfehlen. Wie von der Leyen.