Hamburg/Dortmund. Die Polizei in Hamburg kann Menschen ohne Angabe von konkreten Verdachtsmomenten anhalten und durchsuchen. Dieses Modell ist nach Polizeiangaben nicht auf NRW übertragbar. Die bestehenden Gesetze reichten aus. Man werde keine Gefahrenzonen ausweisen und keine Unverdächtigen ins Visier nehmen.

Hamburgs Senat hat Teile der Stadt zum „Gefahrengebiet“ erklärt. Mit dieser umstrittenen Maßnahme will die SPD-Regierung unter Olaf Scholz nach Angriffen auf Polizisten weitere Gewaltszenen in den Straßen verhindern. Die Mittel, die sie wählt, sind strittig. Auch Städte an Rhein und Ruhr haben gefährliche Ecken für die Polizeibeamten. So weit wie Hamburg will NRW aber vorerst nicht gehen.

Seit einer Woche konnten zwischen Hamburger City und Binnenalster und von den Landungsbrücken bis Altona-Nord Bürger jederzeit und ohne konkreten Verdacht von der Polizei gestoppt, nach Personalien befragt und nach Gegenständen durchsucht werden. Als auslösendes Moment für diese Regelung gilt ein Vorfall am Tag vor Silvester. 50 Autonome hatten auf der Reeperbahn die Davidswache angegriffen. Drei Beamte wurden schwer verletzt. Die Angreifer kamen offenbar aus der Hausbesetzerszene.

Angriffe nehmen bundesweit zu

Bürgermeister Scholz verteidigt die Gefahren-Anordnung – so wie es auch die Hamburger CDU tut. Linke, Grüne und FDP halten sie dagegen für unverhältnismäßig. Tatsächlich verkleinerten die Hamburger Behörden am Donnerstag die betroffene Zone. Trotzdem: In keinem anderen Bundesland ist bisher so hart auf eine Kriminalitätslage reagiert worden, in der Polizisten zu Opfern geworden sind.

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Solche Angriffe nehmen bundesweit zu. Auch in NRW. Im Oktober kam es in Aachen zu einem dramatischen Vorfall. Eine Streifenwagencrew wollte einen 21-Jährigen wegen Verbreitung von Falschgeld zur Verantwortung ziehen. Er flüchtete. Als ihm ein Polizeibeamter zu Fuß folgte, begann eine zehn- bis 15-köpfige Gruppe den Uniformierten nachzujagen. Am Ende standen 60 Bewohner des Viertels 20 Polizeibeamten gegenüber. Die Polizei zog sich zunächst zurück.

Seither ist Polizei in starker Formation regelmäßig in Aachens Oststadt unterwegs. In den ersten Wochen wurden 789 Personen überprüft, 32 wegen illegalen Aufenthaltes festgenommen. Es gab 63 Anzeigen wegen Drogendelikten.

NRW-Polizei: "Das rechtliche Instrumentarium reicht aus"

Der Landtag beschäftigt sich mittlerweile damit. Aber NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD) will und kann nicht so weit gehen wie sein Hamburger Parteifreund Scholz. Eine Generalermächtigung für ganze Stadtteile und auf unbegrenzte Zeit, Unverdächtige anzuhalten, gibt es im NRW-Polizeigesetz genau so wenig wie in den Gesetzen anderer Bundesländer – mit Ausnahme von Hamburg.

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Arnold Plickert, Landeschef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), hält die NRW-Linie für richtig: „Was in Hamburg passiert, ist hier nicht nötig.“ Das rechtliche Instrumentarium reiche aus. Auch die NRW-Polizei könne in gewissen Bereichen Personen verdachtsunabhängig anhalten, ihre Identität feststellen und sie durchsuchen. Dies sei allerdings nur dort möglich, wo Straftaten vermutet werden – im Rotlichtbereich oder der Drogenszene etwa. Plickert: „Das Verfahren ist letztes Jahr in der Dortmunder Nordstadt angewandt worden.“

"Hier bestimmen wir"

Der GdP-Chef betont, in Nordrhein-Westfalen gebe es keine Situation mit ähnlichem Hintergrund wie in Hamburg. Aber er räumt ein, dass dies auch hier bald erreicht sein könnte: „Aachen war schon ein Grenzbereich.“ Derzeit gehe es um Einzelfälle, „aber in bestimmten Stadtteilen möchten Jugendbanden für sich definieren, was Recht ist und wer einschreiten darf“.

Das Beispiel, wieder aus Dortmund: Nachts um halb drei seien seine Kollegen auf der Einsatzfahrt zu einem Raubdelikt gewesen. Plickert: „Sie wurden durch eine Straße nicht durchgelassen. Das Signal war: Hier bestimmen wir“.