Berlin. . Drei Prozent mehr Lohn und Gehalt empfiehlt der gewerkschaftsnahe Ökonom Gustav Adolf Horn für 2014. Dies ergebe sich aus dem Ausgleich der Inflation sowie aus dem Produktivitätszuwachs der Unternehmen. Horn veröffentlicht jetzt seine Empfehlungen an die Bundesregierung und verteidigt die Niedrigszinspolitik der Europäischen Zentralbank.

Kräftige Worte fallen in diesen Tagen, wenn es um die Politik der Europäischen Zentralbank geht. Ein beliebter Vorwurf lautet, mit ihren niedrigen Zinsen würde die EZB die deutschen Sparer „enteignen“. „Die Niedrigzinspolitik der Zentralbank ist absolut richtig,“ sagt dagegen Ökonom Gustav Adolf Horn. Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) veröffentlicht am Montag seine Empfehlungen an die Bundesregierung für 2014.

Gegenüber dieser Zeitung betont Horn: „Ich teile die verbreitete Kritik an der EZB nicht.“ Er plädiert dafür, die Zentralbank in ihrem gegenwärtigen Kurs zu unterstützen. „Wenn die EZB 2013 nicht gehandelt hätte, gäbe es den Euro heute möglicherweise nicht mehr“, sagte der Wirtschaftsforscher. Die Politik der niedrigen Zentralbankzinsen dient unter anderem dazu, die Unternehmen in Europa mit billigen Investitionskrediten zu versorgen. Dadurch werden Arbeitsplätze gesichert und geschaffen – auch in Deutschland. Arbeitnehmer, die als Sparer vorübergehend auf Zinseinnahmen verzichten müssen, profitieren, indem sie Lohn erhalten und nicht arbeitslos werden.

Reisen nach Griechenland

Die EZB-Politik ist ein Bestandteil der Versuche zur Bewältigung der Eurokrise, die Horn für die „größte Herausforderung dieses Jahres“ hält. Der Bundesregierung rät der Ökonom dabei, ihre Unterstützung für spürbare Lohnsteigerungen zugunsten der einheimischen Arbeitnehmer zu signalisieren. „Die Löhne in Deutschland sollten 2014 nominal um drei Prozent steigen“, sagt der Direktor des gewerkschaftsnahen Instituts.

Die drei Prozent errechnen sich aus einem Ausgleich für die Inflation und einer Beteiligung am Produktivitätszuwachs in den Unternehmen, den auch die Beschäftigten mit ihrer Arbeitsleistung ermöglichen. Wenn die Arbeitnehmer in Deutschland, der größten Volkswirtschaft der Europäischen Union, mehr Lohn erhalten, geben sie auch mehr für Waren und Dienstleistungen aus – etwa für Reisen nach Griechenland. Diese Nachfrage kann den südeuropäischen Staaten helfen, ihre Wirtschaftskrise zu überwinden.

Aktuelle Tarifabschlüsse gehe Richtung drei Prozent

Aktuelle Tarifabschlüsse und Verhandlungen gehen in die Richtung, die Horn empfiehlt. Im Einzelhandel Bayerns, Baden-Württembergs und Niedersachsens sollen die Beschäftigten drei Prozent mehr Lohn rückwirkend zum August 2013 erhalten, und im ersten Halbjahr 2014 weitere gut zwei Prozent.

Die Chemie-Gewerkschaft verlangt eine Lohnsteigerung von 5,5 Prozent bundesweit für die rund 550 000 Beschäftigten der Branche in diesem Jahr, wobei möglicherweise ein Abschluss von über drei Prozent herauskommt.

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Viele Leute arbeiten aber mittlerweile in Branchen oder Regionen, die kaum noch von Tarifverträgen erfasst werden. Als Beispiel nennt IMK-Forscher Horn den Dienstleistungssektor unter anderem in Ostdeutschland. Dort sei es wichtig, dass bald der Mindestlohn eingeführt werde, den Union und SPD in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart haben.

Mehr in Bildung investieren

Das IMK rät der Bundesregierung außerdem zu einem Investitionsprogramm in den Bereichen Infrastruktur und Bildung. Die 23 Milliarden Euro, die laut Koalitionsvertrag für solche Zwecke in den kommenden vier Jahren zur Verfügung stehen, seien viel zu wenig. Ein solches Programm solle einerseits ebenfalls Nachfrage schaffen, um die europäische Krise zu bewältigen.

Andererseits weist Horn darauf hin, dass Deutschland „von seiner Substanz zehrt“. Jahrelang sei weniger in Straßen, Schienen und Schulen investiert worden als zum Erhalt notwendig sei. Wenn eine Volkswirtschaft auf Verschleiß fahre, „ist das das Gegenteil der Sparpolitik“, die die Koalition propagiere, sagt Horn.