Berlin. Knapp drei Monate nach der Bundestagswahl fällt mit der Auszählung des SPD-Mitgliedervotums die endgültige Entscheidung über eine große Koalition. Das Ergebnis soll am Samstag schon um 14.00 Uhr verkündet werden und damit deutlich früher als erwartet.
Rund 400 freiwillige Helfer zählten 333 500 Stimmen aus. Die Beteiligung lag damit bei gut 70 Prozent der 474 820 SPD-Mitglieder. Die Mindestbeteiligung von 20 Prozent wurde damit um mehr als das Dreifache übertroffen.
SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles verteidigte erneut die umstrittene Entscheidung, die Mitglieder über den Koalitionsvertrag abstimmen zu lassen. "Das hat die Debattenkultur belebt", sagte sie. Schatzmeisterin Barbara Hendricks zeigte sich zuversichtlich, dass es zu einer satten Mehrheit für den Koalitionsvertrag kommen werde. "Ich erwarte eine Zustimmung in der Größenordnung von 70 Prozent", sagte sie der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Dass eine nur sehr knappe Mehrheit die Partei belasten könnte, befürchtet Hendricks nicht, "weil auch diejenigen, die mit der großen Koalition nicht einverstanden sind, die Ernsthaftigkeit dieses Prozesses wahrgenommen haben".
Kurz nach Mitternacht war ein gelber Post-Lastwagen mit den Umschlägen am Auszählungsort, einem früheren Postbahnhof in Berlin-Kreuzberg, eingetroffen. Der Lkw kam aus Leipzig, wo die Briefe zentral in einem DHL-Zentrum gesammelt worden waren. Ab 01.00 Uhr wurden die mit dem Öffnen der Briefe befassten Helfer eingewiesen. Um 09.30 Uhr folgten dann die eigentlichen Zähler. Die Auszählung fand streng abgeschottet statt. Die Helfer mussten sogar ihre Handys abgeben.
Noch vor der Auszählung des Votums sickerte die Verteilung der SPD-Ministerposten durch. Dabei hatten die Sozialdemokraten stets darauf gedrungen, mit Blick auf die Mitglieder die Bekanntgabe der Postenverteilung auf die Zeit nach dem offiziellen Ergebnis zu verschieben. Inhalte seien entscheidend, nicht Posten, hatte die Führung stets betont. In SPD-Kreisen wurde das Durchsickern der Ressortbesetzungen als unglücklich bezeichnet.
Gabriel soll als "Superminister" Wirtschaft und Energie übernehmen, Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier das Auswärtige Amt, Hendricks das Umweltministerium, die bisherige Generalsekretärin Andrea Nahles Arbeit und Soziales, SPD-Vize Manuela Schwesig das Familien- und Saar-Wirtschaftsminister Heiko Maas das Justizministerium. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann soll Steinmeier als Bundestags-Fraktionschef nachfolgen.
Im Falle einer Zustimmung der SPD-Basis zur großen Koalition wollen Union und SPD am Sonntag offiziell über Aufteilung und Besetzung der Ministerien informieren. Diverse Personalien auch auf Unionsseite wurden jedoch bereits am Freitagabend durch verschiedene Medienberichte bekannt.
Bei der CDU sollen Finanzminister Wolfgang Schäuble und Verteidigungsminister Thomas de Maizière ihre Ämter behalten. Die bisherige Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) soll nach Informationen von "Bild.de" neue Innenministerin werden. Damit würde sie den bisherigen CSU-Minister Hans-Peter Friedrich ersetzen. Ein Bestätigung gab es dafür zunächst nicht.
Kanzleramtschef Ronald Pofalla gibt den Posten aus persönlichen Gründen auf. Die CSU will wie bisher drei Ministerien haben, bisher waren das Verkehr, Landwirtschaft und das Innenressort. Die CDU mit Kanzlerin Angela Merkel an der Spitze soll fünf Ministerien bekommen und auch den Kanzleramtschef stellen.
Stimmt die SPD-Basis einem schwarz-roten Bündnis zu, soll Merkel am Dienstag im Bundestag erneut zur Kanzlerin gewählt werden. Auch die neuen Minister würden in diesem Fall ernannt und vereidigt. Sollte die SPD-Basis Nein sagen, stünden Union und SPD turbulente Zeiten bevor. Merkel hätte dann als Option nur einen Neuanlauf für Schwarz-Grün oder aber eine Neuwahl - in dieser Frage käme Bundespräsident Joachim Gauck eine Schlüsselrolle zu. Bei der SPD könnte es zu Rücktritten kommen.
Die Sozialdemokraten hatten bei der Bundestagswahl am 22. September 25,7 Prozent erreicht, die Union 41,5 Prozent - ihr fehlen aber fünf Sitze zur absoluten Mehrheit. Viele SPD-Mitglieder hatten sich skeptisch gezeigt zu einem erneuten Bündnis mit der Union, viele fürchten nach den Erfahrungen 2005 bis 2009 einen Profilverlust. Daher hatte Gabriel das bisher einmalige Mitgliedervotum über den mit CDU und CSU ausgehandelten Koalitionsvertrag vorgeschlagen.