Berlin. . Wenige Tage vor Ablauf des SPD-Mitgliedervotums macht die Nachwuchsorganisation Jusos Front gegen eine große Koalition. Der Juso-Bundeskongress lehnte am Wochenende den mit der Union ausgehandelten Vertrag ab, der angereiste SPD-Chef Gabriel konnte sie nicht umstimmen. Auch eine Gruppe von 52 jungen CDU-Politikern hat Bauchschmerzen.

Das Manifest hat acht Punkte. Viel Lob. Das eigentliche Anliegen kommt zum Schluss. „Unsere Sorge, dass das vereinbarte Rentenpaket inklusive der abschlagfreien Rente mit 63 die Erfolge der Rentenpolitik der letzten 15 Jahre gefährden könnte, bleibt“, heißt es unter Punkt acht.

Die Kritik gilt dem Vertrag der Großen Koalition. Sie kommt von 52 jungen CDU-Politikern. Darunter sind Leute wie Jens Spahn, der Gesundheitsminister werden kann. Wie Mike Mohring, der die CDU-Fraktion in Thüringen anführt. Wie Philipp Mißfelder, Chef der Jungen Union. Oder wie der Abgeordnete Patrick Sensburg aus dem Sauerland.

Kleiner CDU-Parteitag

„Heute die richtigen Entscheidungen für 2017 treffen“, haben sie ihr Papier überschrieben. Jeder kann es im Internet unter „CDU2017“ lesen. Der Zeitpunkt ist kein Zufall. Heute stimmt ein kleiner Parteitag in Berlin über den Koalitionsvertrag ab. Es gibt keinen Zweifel, dass die CDU ihm zustimmen wird. Aber es macht sich das Gefühl breit, dass die Alten zu gut und die jüngere Generation zu schlecht weggekommen ist.

Die Kritik ist Kanzlerin Angela Merkel vertraut. Die Frage ist, ob sie die Jüngeren einbindet. Da empfiehlt sich die Lektüre von Punkt sieben: Für einen anhaltenden Erfolg der CDU sei es wichtig, „dass junge Köpfe in Partei und Fraktion an verantwortlicher Stelle Profil gewinnen“. Ja, es geht um die Zukunft. Und um zukünftige Karrieren geht es natürlich auch. Spahn ließ jüngst aufhorchen, als er einen Gesprächskreis mit den Grünen gründete. Auch mit der FDP wolle man einen „verbindlichen Austausch“. Anders gesagt: Sie haben ein Problem mit der SPD.

Eklat beim Gabriel-Auftritt

Das Unbehangen beruht auf Gegenseitigkeit. „Zukunft gestalten geht anders!“, stimmen die Jusos zu. Ihre Kritik am Vertrag ist fundamental. Die SPD-Jugendorganisation hätte lieber Rot-Rot-Grün probiert. Auf ihrem Kongress in Nürnberg lehnte sie die „Groko“ am Wochenende ab.

Sigmar Gabriel ist kein Mann, der kneift. Der SPD-Chef reiste an, um den Nachwuchs auf Linie zu bringen. Der Auftritt endete mit einem Eklat. „Check mal die Rassisten von der CDU!“ Gabriel entgegnete: „Ich kenne keine Rassisten in der CDU.“ Johlen im Saal.

Stimmung auf dem Nullpunkt

Später hielt Gabriel eine Juso-Postkarte mit einem Zitat von Otto Wels hoch. Das war der Abgeordnete im Reichstag, der im Namen der SPD Hitlers Ermächtigungsgesetz abgelehnt hat. „Wer so etwas druckt, und gleichzeitig den Eindruck erweckt, in der heutigen CDU gäbe es Rassisten, der verniedlicht das, was damals passiert ist!“, sagt Gabriel.

Wieder ein Zwischenruf: „Erika Steinbach“. Sie führt den Bundesverband der Vertriebenen. „Frau Steinbach würde ich nicht als Rassistin bezeichnen“, sagt Gabriel und geht Zwischenrufer an: „Du wirst mich nicht dazu bekommen, die Kritik an den Konservativen auf ein Niveau zu bringen, auf das sie nicht gehört.“

Schon vor dem Wortwechsel war die Stimmung auf dem Nullpunkt. „Das Ergebnis reicht mir einfach nicht“, sagte ein Juso. In einem Antrag vermisst der SPD-Nachwuchs unter anderem ein tragfähiges Finanzierungskonzept. Zudem setze der Vertrag die Abschottungspolitik gegenüber Flüchtlingen fort.

Keine Chance bei den Jusos

Gabriel kann mit Maximalforderungen nichts anfangen. Er will mit der Union die Politik gestalten, die jetzt möglich ist. Denn: Wer nicht zustimme, so Gabriel, nehme Abschiebungen in Kauf oder auch, dass manche in Deutschland weiter von fünf Euro pro Stunden leben müssten. „Blödsinn!“, ruft einer. „Blödsinn, sagst Du? Na dann erklär das mal der Floristin mit fünf Euro die Stunde!“

Seit Tagen erklärt Gabriel der SPD, dass sie die Bürger nicht vier Jahre lang auf bessere Lebensbedingungen warten lassen solle. Zumal der Koalitionsvertrag „nahe an 90 Prozent“ dessen beinhalte, was im 100-Tage-Programm des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück gestanden habe. Bei den Jusos ist er trotzdem durchgefallen. Der Vertrag. Und wohl auch der Parteichef.