Essen. . In vielen Branchen hangeln sich Berufseinsteiger von Praktikum zu Praktikum. Oft arbeiten sie Vollzeit, bekommen dafür aber kein oder nur wenig Geld. Die Europäische Kommission möchte deshalb Mindeststandards einführen – und Unternehmen so zwingen, ihre jungen Mitarbeiter angemessen zu bezahlen.

Generation Praktikum – dazu gehören diese jungen Leute mit fertigem Studium, die sich von einem Schnupperjob zum nächsten hangeln und dankbar sein müssen, wenn sie eine Aufwandsentschädigung bekommen. In den 1990er und 2000er Jahren beschrieb der Begriff das negative Lebensgefühl einer ganzen Generation.

Ein weiteres Jahrzehnt später will die Europäische Kommission etwas gegen solch unsichere Beschäftigungsverhältnisse unternehmen – mit einem europäischen Mindeststandard, wonach Lernziele, Laufzeit, Arbeitszeit, Bezahlung und Ferien genau geregelt werden.

„Es kann nicht sein, dass etliche Praktikanten derzeit als Gratis- oder Billig-Arbeitskräfte ausgebeutet werden“, erklärt Sozialkommissar László Andor. Er hofft, dass mit solch schriftlichen Vereinbarungen die Chancen auf einen Berufseinstieg verbessert werden.

„Spannend, dabei zu sein“

Das Beispiel der Hernerin Tabea Beissert zeigt, dass Praktika sinnvoll sein können. Beissert ist erst 26, aber den Politikbetrieb kennt sie mitunter besser als manche neu ins Parlament gewählte Volksvertreter. Sie war dabei, als der Landtagsabgeordnete Alexander Vogt (SPD) in Altenheimen und auf Stadtfesten die rot-grünen Entscheidungen erklärt hat.

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Auch den Bundestag kennt sie bereits, unterstützte Gerd Bollmann (SPD) bei der Büroarbeit, nahm an Sitzungen von Fachausschüssen teil. „Ich finde es spannend, zu sehen, wie Politik wirklich gemacht wird.“

Für diesen Einblick nahm die Studentin, die gerade ihren Master in Sozialwissenschaften an der Bochumer Ruhr-Uni macht, viel Stress in Kauf, mietete ein WG-Zimmer in Berlin, kaufte Monatskarten für die U-Bahn. Das alles für knapp 300 Euro.

„Das hat gerade für die Miete gereicht, alles andere musste ich aus eigener Tasche bezahlen.“ Trotzdem habe es sich gelohnt: Sie habe erkannt, dass gute Politik auch gut vermittelt werden müsse. „Das lernt man am Besten im Bundestag.“ Ihr nächstes Praktikum steht im Frühjahr an – dann arbeitet Beissert acht Wochen in der Pressestelle des Verbraucherschutzministeriums.

Babysitten nebenbei, um über die Runden zu kommen

Die 27-jährige Caterina erlebt dagegen die Schattenseiten. Sechs Praktika hat die Kölnerin hinter sich. Gerne würde sie in einem Museum arbeiten. „Aber da werden in absehbarer Zeit gar keine Stellen frei.“ Um überhaupt leben zu können, geht sie nebenher Babysitten.

Was sich im bunten Lebenslauf der Museumsexperten mittlerweile findet, ist das klassische Beispiel der Generation Praktikum. Doch in manchen Berufsfeldern ist alles anders. Bei den Maschinenbauern etwa, bei den Wirtschaftsingenieuren oder den Logistikern.

„Firmen suchen händeringend solche Absolventen“, sagt Anna Lena Piel, die sich an der TU Dortmund im Fachbereich Maschinenbau um Fakultätsmanagement kümmert. Studenten „können oft nach ihrem Abschluss sofort bei der Firma weiterarbeiten“ – unbefristet, mit ordentlichem Gehalt.

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Noch besser: Manche Firmen ermöglichten, das dreimonatige Pflichtpraktikum zu verändern: mit einem Werkvertrag samt Stundenlohn, ergänzt Bernd Dreissig vom Praktikumsamt der Maschinenbauer. Er kennt auch die Bezüge: Große Autofirmen zahlten schon zwischen 800 und 1200 Euro monatlich, sagt er, die kleineren um die 400 Euro. Schließlich stünden die Praktikanten oft genug kurz vor der Bachelor-Arbeit, „das sind schon fast fertige Ingenieure“.

Ein Praktikum bringt noch keinen Job

Den Absolventenforscher Karl-Heinz-Minks überrascht die gute Lage der Maschinenbauer nicht. Im naturwissenschaftlich-technischen Bereich hätten Praktika nie eine Rolle gespielt, Kettenpraktika kämen nur in der Medienbranche oder der Wirtschaftsberatung vor, sagt der Experte vom Deutschen Zentrum für Hochschul- und Wissenschaftsforschung.

Auch nach einer Studie der Online-Jobbörse Absolventa werden vor allem Praktika im Bereich Medien und Marketing als schlecht bewertet. Dazu passt die Haltung des Deutschen Gewerkschaftsbundes: Arbeitgeber beuteten nach wie vor mit schlecht bezahlten Praktika qualifizierte Hochschulabsolventen aus.

Tatsächlich offenbart das Beispiel der Kölnerin Caterina: Ein Praktikum bringt in der Realität nicht unbedingt den ersehnten Einstieg in den Job. Wenn doch, droht für jeden dritten Jungakademiker nach einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung oft das nächste Ungemach: Der befristete Arbeitsvertrag.