Wiesbaden. Kann Volker Bouffier (CDU) in Hessen weiter als Ministerpräsident regieren? Oder schafft es SPD-Kandidat Thorsten Schäfer-Gümbel mit Rot-Rot-Grün? Rein rechnerisch gibt es vier mögliche Optionen. Die FDP musste am Sonntag besonders lange zittern - bis zur Auszählung der letzten beiden Wahlkreise.

In der hessischen Landespolitik herrschen „hessische Verhältnisse“. Wieder mal. Am Tag nach der Landtagswahl ist keine Mehrheit für eine neue Regierung in Wiesbaden in Reichweite. Rein rechnerisch sind vier verschiedene Optionen möglich. Nur gut, dass die schwarz-gelbe Landesregierung nach der Verfassung noch bis Mitte Januar im Amt sein kann. Das bringt Luft für Verhandlungen.

Die vier Millionen Wähler in diesem Bundesland haben Schwarz-Gelb abgewählt. Erst die Auszählung der letzten beiden Wahlkreise in der Nacht ergab, dass die FDP im neuen Parlament vertreten sein wird. Die Liberalen sprechen inzwischen von einem „Wahnsinnsabend“. Dennoch reichen ihr Ergebnis (5,0 Prozent) und das der CDU (38,3 Prozent) nicht aus, um das schwarz-gelbe Bündnis fortzusetzen. Am Montagabend kündigte Hessens FDP-Chef Jörg-Uwe Hahn an, dass die Parteispitze ihre Ämter zur Verfügung stellen will.

Rot-Grün kann in Hessen nicht regieren

Andersherum gilt: Rot und Grün können nicht regieren. Sie sind ohne eigene Mehrheit, was sich auch bundespolitisch auswirkt: So bleibt Rot-Grün auch im Bundesrat die eigene Mehrheit verbaut.

Die SPD legte auf 30,7 Prozent zu, gleichzeitig konnten sich die Grünen aber nicht vom Bundestrend abkoppeln und verloren bis auf 11,1 Prozent. Der SPD-Spitzenkandidat Thorsten Schäfer-Gümbel kann es damit nur mit dem zusätzlichen Votum der Linken ins Amt des Ministerpräsidenten schaffen. Diese haben nach einer respektablen Aufholjagd, – die Umfragen sahen sie weit unter der Fünf-Prozent-Hürde – 5,2 Prozent geschafft.

„Politisch“ hat Schäfer-Gümbel vor dem Wahltag eine Duldung durch die Linken ausgeschlossen. „Formal“ wollte er das nicht tun. Jetzt rätselt Hessen, was das bedeuten könnte. Die Linken haben Unterstützung für ein rot-rot-grünes Duldungs-Abkommen signalisiert oder sogar für eine Dreier-Koalition. „Ich bin stolz auf hessische Verhältnisse“, sagte ihr Landtagsabgeordneter Willi van Ooyen.

Rot-Rot-Grün - Andrea Ypsilanti scheiterte daran

Ob Gümbel („TSG“) sich Rot-Rot-Grün traut, ist offen. Seine Vorgängerin Andrea Ypsilanti war damit – nicht zuletzt durch innerparteilichen Widerstand – gescheitert. Neuwahlen brachten 2010 die bisher regierenden Schwarz-Gelben unter Volker Bouffier (CDU) in die Staatskanzlei.

Volker Bouffier, der in seinem Gießener Wahlkreis Schäfer-Gümbel direkt schlagen konnte, beansprucht für sich die Rolle der Regierungsbildung. Er hat die ersten Gesprächsangebote gemacht – einmal an die SPD, dann auch an die Grünen. Bei Schäfer-Gümbel scheint eine Bereitschaft da zu sein, zumindest auf Sondierungen einzugehen. Seine Partei strebe eine Regierungsbeteiligung an, hatte er noch am Wahlabend gesagt.

Das wohlhabende Bundesland gilt als die Region mit den härtesten Landtags-Auseinandersetzungen, und den Beamtensohn Bouffier und Schäfer-Gümbel, der aus kleinsten Verhältnissen stammt, verbindet keine große Nähe. Andererseits unterscheiden sie sich in wichtigen Sachfragen, so in der Flughafen-Politik, nur in Nuancen.

Die Linke ist dagegen mit der Forderung nach Schließung der Landebahn Nordwest in Frankfurt fast schon radikal und hat bei den Fluglärm-Gegnern gepunktet. Das hat sie am Ende über fünf Prozent gebracht.