Kairo/Saana. . Im Jemen sind Kinderhochzeiten verbreitet - mit verheerenden Folgen für die minderjährigen Bräute. Das Schicksal der achtjährigen Rawan, die nach der Vergewaltigung in der Hochzeitsnacht starb, hat die Welt aufgerüttelt. Die jemenitische Politikerin Horia Mashhoor Ahmed hofft nun auf wachsenden Widerstand.

Nach Medienberichten ist im Norden des Jemen ein achtjähriges Mädchen verheiratet worden und nach ihrer Vergewaltigung in der Hochzeitsnacht an inneren Blutungen gestorben, weil ihre Gebärmutter durch den erzwungenen Geschlechtsverkehr gerissen ist. Das Verbrechen hat weltweit Aufsehen erregt, auch wenn Behörden und Familie in der abgelegenen Region den Tod des Kindes nach wie vor bestreiten. Die Zwangsverheiratung minderjähriger Mädchen ist im Jemen weit verbreitet.

Horia Mashhoor Ahmed, im jemenitischen Kabinett zuständig für Menschenrechte, hofft auf internationalen Druck, damit das Heiratsalter von Mädchen im Jemen endlich auf 17 erhöht wird. Ein Interview.

Was wissen Sie über das Schicksal der achtjährigen Rawan?

Horia Mashhoor Ahmed: Nachdem ich von dem Fall gelesen habe, habe ich einen Vertrauten in die Gegend geschickt, um die Wahrheit herauszufinden. Er hatte den Eindruck, dass die Leute vor Ort etwas vertuschen wollen. Niemand wollte ihm Auskunft geben, die Polizei streitet alles ab.

Fest steht, dass die Hochzeit der achtjährigen Rawan stattgefunden hat – aber nicht in dem Heimatdorf der Familie, sondern in einem anderen Dorf. Es ist gut, dass das Schicksal von Rawan so große internationale Aufmerksamkeit findet. Auch die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton hat an Jemens Regierung geschrieben und Aufklärung verlangt.

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Was muss geschehen?

Ahmed: Zunächst einmal müssen wir die Täter finden und zur Verantwortung ziehen. Dann müssen wir endlich ein Mindestheiratsalter für Mädchen in unseren Gesetzen verankern und tatsächlich durchsetzen. Ich habe heute erneut an den Generalstaatsanwalt geschrieben und ihn aufgefordert, endlich mit Nachdruck zu ermitteln. Und ich habe an den Parlamentspräsidenten geschrieben, um das Thema wieder auf die Tagesordnung zu setzen.

Warum ist bisher nichts geschehen?

Ahmed: Seit über zehn Jahren versuchen wir, auf Regierung und Parlament Druck auszuüben, diesen Missstand zu beheben und ein Mindestheiratsalter von 17 Jahren einzuführen. Die Herrschaften haben das immer wieder versprochen, zuletzt in den Jahren 2009 und 2010, und dann doch nichts getan. Begründung war, man müsse das Thema noch eingehender diskutieren. In Wirklichkeit wollen sie dieses Gesetz einfach nicht in Kraft setzen. Aber der Druck, auch der internationale Druck, steigt und wird uns helfen.

2014 haben wir Neuwahlen und hoffen, dass es dann endlich klappt. Der Südjemen hatte ein solches Gesetz, das wurde 1998 im Zuge der Wiedervereinigung mit dem Norden gestrichen. Und so ist Jemen heute zusammen mit Saudi-Arabien das einzige muslimische Land auf der Welt, in dem minderjährige Mädchen nach wie vor straflos verheiratet werden dürfen.

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Welche Dimensionen hat dieser Missstand im Jemen? Nach Angaben der Unesco heiraten 14 Prozent der Mädchen im Alter unter 15 Jahren, 52 Prozent im Alter unter 18 Jahren.

Ahmed: Es ist ein sehr großes Problem, vor allem auf dem Land. Manchmal werden Mädchen, wie Rawan, bereits mit acht oder neun Jahren verheiratet. 70 Prozent des Jemen sind ländliche Gebiete, dort lebt ein Viertel der Bevölkerung. Die Menschen haben keinen Zugang zu Bildung. Sie denken sehr einfach und traditionell. Für Kinderhochzeiten gibt es zwei Gründe.

Der eine Faktor sind religiöse Extremisten, die mit Berufung auf den Islam dafür plädieren. Sie sind vor allem von Saudi-Arabien beeinflusst. Der viel größere Faktor aber ist die Armut. Die Familien sind bitterarm und wollen ihre verzweifelte Lage durch den Brautpreis für ihre kleinen Töchter aufbessern. Andere verkaufen ihre Kinder, Jungen und Mädchen, an Menschenhändler. Die meisten werden nach Saudi-Arabien verschleppt, wo sie ausgebeutet und misshandelt werden.

Was kann die Regierung tun?

Ahmed: Die Armut ist enorm weit verbreitet, viele Menschen sind unterernährt. Hier müssen wir helfen, hier brauchen wir auch die Unterstützung der internationalen Gemeinschaft. Gleichzeitig müssen wir das Bewusstsein schärfen, dass Kinderehen für die Mädchen ein hohes gesundheitliches Risiko bedeuten.

Auch müssen wir den Eltern klarmachen, dass ihre Töchter ein Recht auf Schulbindung haben genau wie ihre Söhne. Alle Mädchen sollten zumindest die Grundschule absolvieren, dann sind sie 16 Jahre alt. Wir dürfen nicht locker lassen, bis das Parlament im Jemen endlich ein Mindestheiratsalter verabschiedet.