Berlin.. Zwischen 2002 und 2005 genehmigten die Berliner Regierungen die Lieferung giftwaffenfähiger Stoffe. Nun will Deutschland helfen, syrische Arsenale zu zerstören. Für Außenminister Westerwelle hat das syrische Regime die Verantwortung für den Anschlag mit 1500 Toten.

Deutschland will mithelfen, syrische Chemiewaffen zu vernichten. Für die Linkspartei schließt sich ein Kreis: Zwischen 2002 und 2006 lieferten deutsche Firmen Rohstoffe nach Syrien, mit denen sich auch das Giftgas Sarin herstellen lässt. Das räumte das Wirtschaftsministerium jetzt auf eine Anfrage im Bundestag ein. Ein Aufreger im Wahlkampf?

Der Linken-Rüstungsexperte Jan van Aken sagte gestern, „es kann und darf nicht sein, dass diese Chemikalien ausgerechnet nach Syrien geliefert wurden, von denen man damals schon wusste, dass es ein riesiges Chemiewaffenprogramm unterhält.“

Es geht um Chemikalien wie etwa Fluorwasserstoff oder Natriumfluorid, 111 Tonnen im Wert von fast 174 000 Euro. Ihre Ausfuhr war legal. Sie wurde „nach sorgfältiger Prüfung“ genehmigt, weil Syrien eine plausible Verwendung angab, unter anderem die Schmuckfertigung.

Die Substanzen werden meist zivil gebraucht

Die Entscheidung traf ein Ausschuss, zu dem das Auswärtige Amt, das Wirtschaftsministerium sowie der Bundesnachrichtendienst (BND) und die eigentliche Ausfuhrbehörde, die BAFA, gehören. Das ist das übliche Verfahren. Die Substanzen werden vielfach zivil gebraucht: Für die Behandlung von Metall, für die Herstellung von Zahnpasta oder zur Fluorierung von Trinkwasser. Das ist fatal an den Dual-Use-Gütern: Sie können so oder so genutzt werden.

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Bis 2006 fiel der Blick auf Syrien anders als heute aus. Damals hat man gehofft, dass das Regime von Baschir Al-Assad eine positive Rolle im Nahost-Konflikt spielen könnte. Es sollten ohnehin noch Jahre vergehen, bis die EU im Mai 2011 Sanktionen gegenüber Syrien verhängte.

Die Rolle der Menschenrechte

Seit Ende der 80er Jahre muss der Export solcher Chemikalien extra genehmigt werden. Es gibt eine internationale Ausfuhrkontrolle im Rahmen der „Australischen Gruppe“. Aber zur Wahrheit gehört auch, dass Staaten wie China, Russland, Indien sich den Regeln nicht unterordnen.

2002 regierten SPD und Grüne, ab 2005 eine Große Koalition. Die Linke stellt kritische Fragen insbesondere an die Adresse von Frank-Walter Steinmeier. Das hat zwei Gründe. Er war an beiden Regierungen beteiligt, erst als Chef des Kanzleramtes, dann als Außenminister, und er ist als SPD-Fraktionschef immer noch ein Mann, an dem man sich reiben kann, anders etwa als die damals federführenden Wirtschaftsminister Wolfgang Clement und Michael Glos.

Steinmeier ließ sich auf die Fragen der Linken nicht ein, ebenso wenig Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Regierung hat keine Anhaltspunkte dafür, dass die deutschen Chemikalien tatsächlich für die Sarin-Produktion genutzt wurden. Auszuschließen sei es aber auch nicht, hält die Linkspartei dagegen. Die profiliert sich im Wahlkampf, doch berührt die Diskussion eine Grundsatzfrage über den 22. September hinaus: Welche Rolle spielen die Menschenrechte in der Politik? Muss jeder Handel unterbunden werden, wenn auch nur ein Schatten des Zweifels aufkommt?

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) treibt eher um, dass die Verantwortlichen für den Giftgas-Einsatz in Syrien vor den internationalen Strafgerichtshof gestellt werden. Die Indizien, so der Außenminister, deuteten darauf hin, „dass das Assad-Regime die Verantwortung trägt“. Westerwelle bekräftigte das Angebot, bei der Vernichtung der Chemiewaffen zu helfen, ganz gleich, wer die Lieferanten waren.