Washington/Moskau. Der russische Präsident Wladimir Putin hat im Falle eines Militärschlags der USA gegen Syrien vor einer Eskalation des Konflikts über das Land hinaus gewarnt. “Ein Angriff könnte die Gewalt verstärken und eine neue Terrorismus-Welle auslösen“, so Putin. Der Kreml-Chef wähnt Rebellen hinter Giftgaseinsatz.

Drei Tage nach dem überraschenden Vorstoß Moskaus zur Zerstörung der syrischen Chemiewaffen wollen US-Außenminister John Kerry und sein russischer Kollege Sergej Lawrow am Donnerstag erstmals direkt über das Thema verhandeln. Vertreter der fünf UN-Vetomächte waren laut Diplomaten am Mittwochabend daran gescheitert, den Vorschlag schon in einen Resolutionsentwurf zu gießen. Russlands Präsident Wladimir Putin warnte Washington eindringlich vor einem Militärschlag gegen Damaskus.

Lawrow hatte am Montag vorgeschlagen, die syrischen Chemiewaffen unter internationale Kontrolle zu stellen und zu vernichten. Damaskus will sich nach eigenen Angaben darauf einlassen, und könnte so den drohenden Militärschlag der USA und Frankreichs abwenden. Vor dem Kerry-Lawrow-Treffen in Genf hatten die Vertreter der USA, Frankreichs, Großbritanniens, Chinas und Russlands in der russischen UN-Botschaft über einen französischen Resolutionsentwurf beraten. Nach Diplomatenangaben sieht den Entwurf vor, Damaskus 15 Tage Zeit zu geben, seine gesamten Chemiewaffenbestände vollständig offen zu legen.

US-Militärschlag gegen Syrien könnte laut Putin zu Eskalation führen

Die Resolution würde nach Kapitel 7 der UN-Charta einen Militärschlag autorisieren, sollte Syriens Machthaber Baschar al-Assad die Bedingungen nicht erfüllen. Die Elemente der möglichen Resolution seien bei dem Treffen diskutiert worden, sagte ein UN-Diplomat. In New York habe "jeder seine Position dargelegt, es gab aber keine echten Verhandlungen", sagte eine zweite diplomatische Quelle. Russland habe sich weiterhin dagegen gestemmt, Assad mit einem Militärschlag zu drohen. Schon am Dienstag bezeichnete Lawrow eine Resolution, die Assad für eine Giftgasattacke am 21. August nahe Damaskus verantwortlich macht, als "inakzeptabel".

Putin machte in einem Namensbeitrag für die "New York Times", der am Mittwochabend (Ortszeit) auf der Internetseite veröffentlicht wurde, die Rebellen und nicht Assad für einen Chemiewaffeneinsatz verantwortlich. "Es gibt alle Gründe zu glauben, dass (das Giftgas) nicht von der syrischen Armee, sondern von den Oppositionskräften eingesetzt wurde, um ein Eingreifen ihrer mächtigen ausländischen Unterstützer zu provozieren". Diese hätten sich "auf die selbe Seite wie die Fundamentalisten gestellt", schrieb Putin in der "New York Times".

Schlüsseltreffen von Kerry und Lawrow zu Syrien-Initiative in Genf

Er drängte Washington eindringlich zur Annahme seines Chemiewaffen-Vorschlags. Die USA, Russland und alle Mitglieder der Staatengemeinschaft müssten die Chance ergreifen, "dass die syrische Regierung zur internationalen Kontrolle und anschließenden Zerstörung ihrer Chemiewaffen bereit ist", schrieb der Kreml-Chef. Ein Militärschlag gegen Damaskus ohne UN-Mandat könne zum Zusammenbruch der Organisation führen, "eine neue Terrorwelle" verursachen und die gesamte Region destabilisieren, warnte Putin. Ein Angriff würde zudem nur "zu weiteren unschuldigen Opfern führen".

Diplomaten erwarten, dass das Treffen Kerrys und Lawrows in Genf Aufschluss geben werde, ob eine Einigung überhaupt möglich scheint. Die beiden Chefdiplomaten werden von Waffenexperten begleitet. Auch der Syrien-Sondergesandte der UN und der Arabischen Liga, Lakhdar Brahimi, wird nach US-Angaben in Genf mit am Tisch sitzen.

Plan für Suche nach Chemiewaffen in Syrien fehlt

US-Präsident Barack Obama hatte in einer Fernsehansprache am späten Dienstag die Chancen und Risiken der russischen Initiative benannt. Sie habe das Potenzial, "die Bedrohung durch chemische Waffen ohne den Einsatz militärischer Gewalt zu beseitigen". Noch sei es aber "zu früh zu sagen", ob sie zum Erfolg führen werde. Er habe das Militär angewiesen, "seine derzeitige Stellung beizubehalten, falls die Diplomatie scheitert". Auch Frankreichs Staatschef François Hollande erklärte, seine Streitkräfte würden "mobilisiert bleiben".

Denn ein konkreter Plan, wie die Chemiewaffen gefunden, sichergestellt und zerstört werden können, liegt nach US-Angaben noch nicht mal in Ansätzen vor. Kerrys Sprecherin Jen Psaki sagte am Mittwoch, Moskau habe bislang "lediglich einige Ideen" präsentiert.

USA haben mit Aufrüstung syrischer Rebellen begonnen

Die USA haben nach einem Medienbericht mit der Aufrüstung der syrischen Rebellen begonnen. In den vergangenen zwei Wochen habe der Geheimdienst CIA leichte Waffen und Munition an die Gegner von Machthaber Baschar al-Assad geschickt, berichtete die "Washington Post" am Mittwochabend (Ortszeit) auf ihrer Internetseite. Das Außenministerium habe überdies Fahrzeuge und technische Ausrüstung wie modernste Kommunikationsgeräte auf den Weg gebracht, hieß es unter Berufung auf US- und syrische Quellen.

Auf Nachfrage der AFP lehnte die CIA eine Stellungnahme zu dem Bericht ab. Der Zeitung zufolge sollen die Waffenlieferungen den Zusammenhalt der Oppositionskräfte stärken. Diese haben schon lange um militärische Unterstützung gebeten, um sich gegen die Regierungstruppen zur Wehr setzen zu können. (afp/dpa)