Wiesbaden. Der CDU-Ministerpräsident und seine schwarz-gelbe Regierungskoalition lagen in den Meinungsumfragen eine Weile weit zurück. Jetzt hat Regierungschef Volker Bouffier aufgeholt, am Wahlabend könnte es zum Kopf-an-Kopf-Rennen mit dem SPD-Mann Thorsten Schäfer-Gümbel kommen.
Am Sonntag wählen 4,4 Millionen Hessen den Landtag, und der grüne Abgeordnete Frank Kaufmann verteilt, nun ja, Ohropax als Gabe an die umworbenen Wähler. Denn Flörsheimer, Hochheimer, Rüsselsheimer und Niederrader macht der Lärm mürbe und wütend, den die auf der neuen Nordbahn des Frankfurter Flughafens hereinkommenden Jets verursachen.
Hunderte am Tag düsen knapp über den Dächern der Wohnhäuser auf den Airport zu. In Flörsheim flogen schon Dachziegel weg. Behörden empfehlen, die Dachpfannen festzuklammern.
Die Linke und die Landebahn
Doch der Frankfurter Flughafen ist nicht nur der größte Arbeitgeber Hessens. Die neue Landebahn soll auch schon 3000 Jobs gebracht haben. Im Wahlkampf, der jetzt zu Ende geht, behandeln CDU, SPD, FDP und selbst Grüne das Thema eher vorsichtig.
Was das Feld der Linkspartei überlässt, die „Landebahn stilllegen“ plakatiert. Landesweit liegt sie im Umfragen bei läppischen 3,5 Prozent. Aber die junge Spitzenkandidatin Janine Wissler weiß den Fluglärm zu nutzen. Im Endspurt vor dem Wahltag konzentriert sie die Kampagne auf die eigentlich bürgerliche Flughafen-Region. Der Unmut dort soll sie über die 5-Prozent-Hürde hieven.
Und dann? Hätte Hessen, wieder mal, ein Problem mit der Linken. Die Lager von Rot-Grün und Schwarz-Gelb liegen eng beieinander. Wie 2009. Damals versuchte die SPD-Frau Andrea Ypsilanti, entgegen ihrer Zusage eine von der Linken tolerierte Minderheitsregierung zu bilden. Sie scheiterte an den eigenen Reihen. Neuwahl war die Folge – und bis heute eine Regierung aus CDU und FDP.
TSG ist heute der große Kümmerer
TSG soll für die Sozialdemokraten die Wende schaffen. TSG? So nennen die Genossen ihren Thorsten Schäfer-Gümbel. Bei der Neuwahl 2009 noch ein Verlegenheitskandidat, gibt sich der 43-jährige Gießener, Sohn aus einer Arbeiterfamilie, heute als freundlicher Kümmerer.
Vielleicht hundert Interessierte, meist SPD, sind in den Bürgersaal in Wald-Michelbach gekommen. Jedem einzelnen schüttelt er die Hand und setzt bei seiner 15-Minuten-Rede auf die klassischen Themen der Partei: Gute Arbeit und Mindestlohn, soziale Gerechtigkeit und Bildung. Steuer-CDs will er, wie NRW es tut, aufkaufen, um Steuerflüchtige unter Druck zu setzen. 800 Millionen werde das dem Land Hessen bringen, sagt er. „Viele Probleme beendet das auf einen Schlag“. Den Odenwäldern im Bürgerhaus gefällt sowas. TSG, der anfangs noch fremdelte, ist bei ihnen angekommen.
Welche Themen sind am Wahltag wirklich wichtig?
Andere Probleme drücken aber auch hier. Wie die Frankfurter mit dem Fluglärm haben sie hier mit dem Nahverkehr und dem geplanten Windenergiepark regionalen Ärger – wenn denn regionaler Ärger eine Rolle spielen würde an einem Wahltag, an dem zugleich der Bundestag zu wählen ist. Da hat eher die große Politik Vorrang.
Sie beherrscht auch das Duell zwischen Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) und seinem Herausforderer im Hessen-Fernsehen. Gnadenlos zielt der früher als Hardliner bekannte Christdemokrat in die Schwachstelle des Gegners: „Wollen Sie Rot-Rot-Grün?“ Schon steckt der Sozialdemokrat in der ideologischen Defensive: „Ich sehe keine Basis für eine Regierung mit der Linken. Ich will Rot-Grün“. Was den weiteren Versuch einer „Duldungs-Regierung“ natürlich nicht ganz ausschließt, interpretiert Bouffier zufrieden.
Ein präsidialer Regierungschef
Bouffier, so ist zu erzählen, hat eine scharfe demoskopische Aufholjagd hinter sich. Seine bürgerliche Koalition lag noch vor wenigen Monaten weit hinter Rot-Grün zurück. Die letzten Prognose-Daten sagen dagegen ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus mit leichtem Vorteil für Schwarz-Gelb und sogar kleinem persönlichen Gunst-Vorsprung für den Amtsinhaber.
Woran das liegt? Vielleicht ist es der Effekt, der in Bayern der CSU die absolute Mehrheit zurückgab. Wirtschaft und Arbeitsmarkt im Land geht es blendend. „96 Prozent der Bürger fühlen sich wohl“, reklamiert der Christdemokrat. Und gibt sich so präsidial wie der siegreiche CSU-Chef Seehofer: „Ich sehe mich nicht als der oberste Spalter der Nation“.
Hardliner Bouffier? Das war einmal.