Darf der das? Was Experten zu Steinbrücks Stinkefinger sagen

Essen/Berlin. . Lockere Pose - oder vollkommen unangebracht? Nachdem die Süddeutsche Zeitung auf ihrem Magazin-Cover Peer Steinbrück mit gestrecktem Mittelfinger abgebildet hat, diskutieren auch Politik-Experten über die Folgen für den Kanzlerkandidaten. Die meisten sagen: Das war ein Eigentor.

Schlichtweg ungehörig – oder doch cool? Lockere Pose – oder eines Kanzlerkandidaten unwürdig? Die Meinungen über Peer Steinbrücks gestreckten Mittelfinger auf einem Magazin-Titelblatt gehen weit auseinander. Professionelle Kommunikations-Experten sind sich dagegen weitgehend einig: Steinbrück hat ein Eigentor geschossen.

Für den Frankfurter Manager-Trainer Stefan Wachtel, der unter anderem Unternehmens-Vorstände auf Reden und Auftritte vorbereitet, ist die Sache klar: „Der Mann hat Sinn für Darstellungskunst. Leider im falschen Film.“

Für Wachtel spielt der SPD-Kanzlerkandidat bei dem Foto-Shooting, bei dem er mit Gesten und Mimik Fragen beantworten soll, eine Rolle: „Sein Film heißt: Ihr könnt mich mal, ich bin der Peer. Steinbrück, wie er ist, zeigt der Finger hervorragend.“ Das Problem ist nur: Als Spitzenkandidat, der mit dem Slogan „Das Wir entscheidet“ wirbt, müsste Steinbrück sich auch entsprechend verhalten: Weniger Selbstdarsteller, mehr Kümmerer. Die Fotoserie war schon Ende Juli entstanden, aber erst jetzt veröffentlicht worden.

„Das ist kein Kanzlerformat“ meint der Politikberater Michael Spreng

„Das schadet ihm natürlich. Das ist kein Kanzlerformat, sich so fotografieren zu lassen“, meint der Politikberater Michael Spreng. Das Zeigen des Mittelfingers sei „eine pubertäre Geste, enorm ordinär“, sagt auch der Kommunikationstrainer Stephan Lermer.

Die unappetitliche Pose werde vor allem ältere, konservative Wähler abschrecken: „Es wird Stimmen kosten.“ Die Geste passe nicht zu einer öffentlichen Person mit Vorbildfunktion, die als Kanzlerkandidat 80 Millionen Deutsche international repräsentieren wolle. „Wir Deutschen müssen uns für ihn fremdschämen.“ Lermer sagt voraus, dass Peer Steinbrück mit der Mittelfinger-Geste in die Geschichte eingehen werde „wie Einstein mit herausgestreckter Zunge, Merkels Raute und der Kniefall Willy Brandts“.

Der Politologe Oskar Niedermayer glaubt, mit der Aktion habe Steinbrück alte Vorurteile gegen ihn bestätigt. Selbst wenn er es ironisch meine, müsse er wissen, was vom politischen Gegner daraus gemacht werde.

Union und FDP sind empört über Steinbrücks Geste

Und eben jene politischen Gegner schmissen ihre Empörungsmaschinerie denn auch umgehend an – schließlich ist Wahlkampf in Deutschland. Die Union sprach Peer Steinbrück gleich die Eignung als Regierungschef ab.

„Wer sich kurz vor der Wahl so präsentiert, will doch gar nicht Kanzler werden“, sagte CDU-Mann Wolfgang Bosbach. „So etwas geht nicht“, mahnte staatstragend auch FDP-Chef Philipp Rösler. Und Grünen-Spitzenkandidatin Katrin Göring-Eckardt sagte: „Meine Form wäre das nicht.“

Peer Steinbrück selbst schien die Aufregung nicht nachvollziehen zu können. Er verteidigte am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in München die „geschauspielerte“ Geste: Er hoffe, dass die Republik den Humor habe, „diese Grimassen und diese Gebärdensprache bezogen auf die Fragen auch zu verstehen“. Auf die Frage, ob er gewusst habe, dass das Magazin dieses Foto auf den Titel nehmen wolle, sagte Steinbrück: „Nein.“

Bis zu 4000 Euro kostet der gestreckte Mittelfinger im Straßenverkehr

Laut dem Süddeutschen Magazin, das die Bilderserie mit Peer Steinbrück veröffentlichte, wollte Steinbrücks Sprecher die Stinkefinger-Pose ursprünglich nicht freigeben - aber Steinbrück habe gemeint: „Nein, das ist okay so.“

Gar nicht okay wäre es übrigens, hätte Peer Steinbrück die Geste nicht in einem Magazin, sondern im Straßenverkehr oder seinem Nachbarn gezeigt. Dort ist der Stinkefinger nämlich juristisch von Relevanz. Als Beleidigung kann er nach Angaben des ADAC bis zu 4000 Euro kosten. (mit afp, dpa)