Istanbul. In der Türkei ist es die dritte Nacht in Folge zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen regierungskritischen Demonstranten und der Polizei gekommen. Die Sicherheitskräfte setzten in mehreren Städten Tränengas ein, um die Menschen auseinanderzutreiben. Die Proteste unter anderem in Istanbul, Ankara und Antalya gingen bis weit in die frühen Morgenstunden am Freitag.

Die Proteste in der Türkei gegen Polizeigewalt und die Regierung halten an. In mehreren Städten des Landes kam es in der Nacht zum Freitag erneut zu gewaltsamen Demonstrationen. Die Polizei setzte Tränengas und Wasserwerfer ein. Die Justiz geht unterdessen dem Verdacht nach, dass die mutmaßliche Verantwortung von Polizisten für den Tod eines regierungskritischen Demonstranten vertuscht werden sollte.

In der Metropole Istanbul kam es ab Donnerstagabend am dritten Tag in Folge zu Massenprotesten. Im Bezirk Kadiköy hinderte die Bereitschaftspolizei mehrere tausend Demonstranten mit Wasserwerfer, Tränengas und Gummigeschossen daran, zum Parteibüro der islamistischen Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vorzudringen, wie AFP-Fotografen beobachteten. Es habe mehrere Festnahmen gegeben.

Tod eines Demonstranten löste die Proteste aus

Am Mittwochabend war es in dem Bezirk schon zu Ausschreitungen gekommen, bei denen mehrere Menschen verletzt wurden. Am Dienstag hatten sich Demonstranten und Polizisten Straßenschlachten um den Taksim-Platz in der Istanbuler Innenstadt geliefert. Nach Berichten türkischer Medien kam es am Donnerstagabend auch in der Hauptstadt Ankara und in Antakya im Süden des Landes zu Zusammenstößen.

Auslöser der Proteste ist der Tod eines jungen Demonstranten am Montag in Antakya. Die Nachrichtenagentur Dogan berichtete, der 22-Jährige sei von einer Tränengaspatrone getroffen worden. Nach Angaben der Behörden stürzte er dagegen von einem Dach in den Tod, von dem er Steine auf Polizisten geworfen haben soll.

Lange Haftstrafen für Polizisten gefordert

Bei wochenlangen Protesten gegen die Regierung hatte es im Juni fünf Tote gegeben. Die Proteste entzündeten sich an einem von Erdogan unterstützten Bauprojekt am Taksim-Platz. Sie richteten sich aber bald gegen das gewaltsame Vorgehen der Polizei und Erdogans autoritären Führungsstil und erfassen große Teile des Landes.

Im Fall eines im Juni getöteten Demonstranten wandte sich die Staatsanwaltschaft im westtürkischen Eskisehir Medienberichten zufolge an den Wissenschaftsrat der Regierung. Dieser soll klären, ob und wie Aufnahmen von Überwachungskameras gelöscht wurden, die tödliche Schläge von Polizisten und Zivilisten gegen Ali Ismail Korkmaz zeigten. Die Staatsanwaltschaft in Eskisehir verlangt lange Haftstrafen für vier Polizisten und vier Zivilisten. Korkmaz war nach einigen Wochen im Krankenhaus seinen Verletzungen erlegen.

Polizei steht unter Verdacht der Vertuschung

Experten der Militärpolizei waren zu dem Schluss gekommen, dass insgesamt vier Mal versucht wurde, Aufnahmen einer Überwachungskamera zu löschen. Die Fachleute konnten die Aufnahmen aber wieder herstellen, was zur Anklage gegen die acht Beschuldigten führte.

Zwei der Löschversuche sollen zu einer Zeit stattgefunden haben, in der sich die Bilder bei einem Gutachter befanden, der die Vorwürfe aber zurückwies. Die Aufnahmen einer anderen Überwachungskamera sind aus bisher ungeklärten Gründen verschwunden.

Die mutmaßlichen Vertuschungsversuche bestärken die türkische Protestbewegung in ihrem Verdacht, dass Polizisten selbst bei schwersten Straftaten vom Staat gedeckt werden. Derzeit wird nur gegen relativ wenige Polizisten wegen übertriebener Gewaltanwendung während der schweren Unruhen im Juni ermittelt. Dagegen müssen sich mehrere Dutzend Demonstranten vor Gericht verantworten, unter anderem wegen Terrorvorwürfen. (afp/rtr)