Washington. . Durch seinen radikalen Kurswechsel hat der Kremlchef im Syrien-Konflikt das Heft des Handelns übernommen, vorerst eine Militär-Intervention der Amerikaner gestoppt - und seinen Kontrahenten im Weißen Haus alt aussehen lassen. Kein Wunder, dass Putin nun seine „besten Tage“ erlebt und sich als „Friedensfürst“ bezeichnet.

Auf dem Höhepunkt der Affäre um den nach Moskau geflohenen Geheimnis-Verräter Edward Snowden hat Barack Obama sein Gegenüber Wladimir Putin in ein denkbar unvorteilhaftes Licht gestellt. Russlands Präsident spiele auf internationalem Parkett gern „das gelangweilte Kind in der letzten Reihe im Klassenzimmer“, sagte der Chef im Weißen Haus. Sträflich unterschätzt, finden Kommentatoren heute. Sie sehen Obama „düpiert“, wenn nicht gar „aufs Kreuz gelegt“ vom gelernten Judoka Putin.

Durch dessen radikalen Kurswechsel in der Syrien-Krise sei Russland über Nacht als „gestalterische Kraft“ in die Weltpolitik zurückgekehrt. Putin habe mit seiner Initiative, das Assad-Regime zur Aufgabe aller Chemiewaffen zu bewegen, „Obama die Stirn geboten“. Und den US-Präsidenten „aus der Verlegenheit eines ungeliebten Militärschlags geholfen“. Im Judo würde man sagen: „Ippon!“ Voller Punkt.

Gemessen an der Tatsache, dass Putin noch bis vor kurzem als Nein-Sager im allgemeinen und Schutzpatron des syrischen Regimes im besonderen galt, fällt seine Leistungsbilanz zum Ende dieser Woche beachtlich aus, schreibt das Fachmagazin „Foreign Policy“: Er hat seinem Verbündeten Assad eine Rettungsleine mit Zeitgewinn zugeworfen – und sich selbst in den Mittelpunkt der Weltbühne gerückt.

Er hat Obama dazu gebracht, die Waffen schweigen zu lassen – und das Epizentrum der Entscheidungen wieder in den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu verlegen. Er hat Washington gezwungen, den syrischen Präsidenten als Verhandlungspartner zu akzeptieren – und nicht mehr länger als Diktator zu behandeln, der „unbedingt“ gehen muss. Kurzum: Er ist mit Obama auf Augenhöhe. „Putin hat wahrscheinlich gerade die besten Tage als Präsident in vielen Jahren“, mutmaßt der Sicherheitsexperte Ian Bremmer.

Plötzlich hält Putin militärische Gewalt für „ineffektiv“ und „zwecklos“

Putin ist derart über sich begeistert, dass er sich in der „New York Times“ als Friedensfürst stilisiert, der Gewalt als „ineffektiv“ und „zwecklos“ bezeichnet. So als hätte es brutale Militäraktionen Moskaus in den Kaukasus-Republiken nie gegeben.

Mit scharfen Worten griff der Kreml-Führer zudem das amerikanische Selbstverständnis an. „Es ist sehr gefährlich, Menschen zu ermutigen, sich für außergewöhnlich zu halten“. Dass es für die USA „alltäglich“ geworden sei, militärisch in die „internen Konflikte andere Nationen“ einzugreifen, findet er „alarmierend“ und zieht vernichtend Bilanz: „Millionen auf der ganzen Welt sehen Amerika zunehmend nicht als Modell der Demokratie, sondern als etwas, dass sich allein auf rohe Gewalt verlässt.“

Es ist Putin, der Assads Militärmaschine am laufen hält

Dass es Putin ist, der Assads Militärmaschine im Bürgerkrieg „mit Millionen-Zahlungen am Laufen hält“, dass der Russe als „einziger Staatsmann von Rang“ unverändert die Aufständischen und nicht den Diktator hinter der Vergasung von 1500 Zivilisten am 21. August sieht, dürfe die Öffentlichkeit „nie aus den Augen verlieren“, heißt es auf dem Außenministerium.

Wenn die UN-Inspektoren am Montag eine „überwältigende Indizienkette dafür präsentieren werden“, dass nur Assads Regime für den Giftgas-Einsatz verantwortlich gewesen sein kann, werde Putins Treueschwur einem ersten Härtetest unterzogen. Sollte sich zeigen, dass Assad beim Abrüsten streikt und Moskau passiv dabei zusieht, sei es „mit Putins frischem Ruf als Krisen-Makler ganz schnell wieder vorbei“.