Essen. . Katrin Göring-Eckardt ist die Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl. Im Interview sagt sie, warum sie nicht mit der Linken an die Regierung will, den Veggie-Day gut findet und Menschen aus Ostdeutschland sehr wohl eine Leidenschaft für Europa haben.
Katrin Göring-Eckardt wirft einen Blick auf die Speisekarte unserer Zeitungs-Kantine. Die Spitzenkandidatin der Grünen für die Bundestagswahl findet, was sie finden soll: „Eintopf ,mediterran’ mit Kirchererbsen und viel Gemüse“. Ein vegetarisches Gericht. Das muss der Politikerin gefallen. Immerhin streitet die halbe Republik über den Grünen-Vorschlag, einen „Veggie-Day“ in deutschen Kantinen einzuführen, also einen vegetarischen Tag. Katrin Göring-Eckardt findet es natürlich gut, dass Fleischfreies auf der Karte steht. Aber sie will trotzdem mal was klarstellen...
Frau Göring-Eckardt, wie stehen Sie zum Veggie-Day? Viele werfen Ihnen vor, die Deutschen bevormunden zu wollen.
Katrin Göring-Eckardt: Wir wollen etwas anbieten, nicht vorschreiben. Wir schlagen vor, Kantinen zu fördern, die ihre Köche zur Weiterbildung für eine gesunde Ernährung schicken. Ein Veggie-Day könnte ein Aushänge-Schild sein: Heute besonders lecker vegetarisch. Es geht überhaupt nicht um Fleischverbot.
Alles nur ein Missverständnis?
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Göring-Eckardt: Es gibt einige, die bewusst missverstehen wollen. Aber das hat nicht verfangen. Umfragen zeigen, dass eine Mehrheit von Jugendlichen und Frauen für einen vegetarischen Tag pro Woche sind. Sogar der Chef einer Wurstfabrik hat sich vor Kurzem dafür ausgesprochen. Wichtig an der ganzen Diskussion ist aber, dass sich viele Gedanken machen über die Massentierhaltung, die ja Hintergrund für den Veggie-Day Vorschlag ist.
Göring-Eckardt will kein Arbeitsverbot für Asylbewerber
Aber viele halten die Grünen nun für eine Pädagogenpartei. Eine, die den Menschen sagt, was sie tun sollen.
Göring-Eckardt: Darum geht es uns nicht, und mir persönlich schon gar nicht. Ich bin in der DDR aufgewachsen. Dort meinte die Nomenklatura immer schon zu wissen, was gut für einen ist. So etwas will ich nie wieder ertragen. Es ist wichtig, dass wir alle uns Gedanken machen über unser Zusammenleben und eben auch Fehlentwicklungen korrigieren. Also muss man offen über die Folgen von Massentierhaltung reden. Oder über Verbote, die ich gerne aufheben würde.
Welche?
Göring-Eckardt: Zum Beispiel das Arbeitsverbot für Asylbewerber, das Adoptionsverbot für Schwule und Lesben oder das Verbot, im ICE ein Fahrrad mitzunehmen.
Sie haben Ihre Herkunft selbst angesprochen: Wie denkt eine Frau mit DDR-Erfahrung über Europa?
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Göring-Eckardt: Mit Ostdeutschland und Osteuropa ist Europa erst vollständig geworden. Ich kann ohne Grenzkontrolle nach Paris oder Bratislava reisen und dort mit demselben Geld bezahlen. Diese Freiheit, die ich mit Europa verbinde, ist großartig.
Peer Steinbrück hat der Kanzlerin wegen ihrer DDR-Vergangenheit die Leidenschaft für Europa abgesprochen. Wie kommt das bei Ihnen an?
Göring-Eckardt: Jeder kann sehen, dass Frau Merkel keine große Leidenschaft für Europa empfindet. Die schwarz-gelbe Regierung versucht aus der Position des wirtschaftlich Mächtigen anderen Ländern ihren Willen aufzudrücken. Europa wird dabei reduziert auf Finanz- und Wirtschaftskrisenprobleme. Diese Regierung versteht die Not der vielen arbeitslosen Jugendlichen in Griechenland und Spanien nicht. Sie überfordert die wirtschaftlich angeschlagenen Nationen mit immer neuen Sparprogrammen. Aber das hat überhaupt nichts mit Frau Merkels Herkunft zu tun.
Ohne den ostdeutschen Freiheitswillen gebe es kein modernes Europa
Steckt hinter diesem Vorwurf eine typisch westliche Sicht? Traut man Ostdeutschen echte Europa-Sympathie nicht zu?
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Göring-Eckardt: Ich kann nur sagen: Wir Ostdeutsche verbinden sehr viel mit Europa. Zum Beispiel die Freiheitsbewegung in Prag, Solidarnosc in Polen. Ohne den Freiheitswillen der Menschen in Osteuropa würde es das moderne, freie Europa nicht geben.
Wir haben über Ihre Herkunft gesprochen. Da liegt die Frage nahe, wie es die Ostdeutsche Katrin Göring-Eckardt mit der Linken hält. Ist die für Sie koalitionsfähig?
Göring-Eckardt: Da müssen sie Bundes- und Landespolitik unterscheiden. Im ostdeutschen Teil der Linkspartei gibt es Leute, die regierungsfähig sind. Und NRW hat gezeigt, dass die Linkspartei einer rot-grünen Politik nicht im Wege stand, auch wenn es schwierig war. Aber auf Bundes-Ebene können wir nicht mit der Linken zusammenarbeiten wegen unrealistischer Sozial-und Finanzpolitik und wegen der Außen- und Europapolitik.
Was würde passieren?
Göring-Eckardt: Deutschland würde sich mit einer solchen Regierung isolieren. Die Linke ist in der Außenpolitik nicht verlässlich und in der Europapolitik eine national-chauvinistische Partei, die gegen alles ist.
Grüne wollen einen Spitzensteuersatz für Einkommen ab 80 000 Euro
Wann würde die Linke im Bund koalitionsfähig sein?
Göring-Eckardt: Wenn sie beispielsweise akzeptierte, dass die Mitgliedschaft Deutschlands in der Nato nicht zur Diskussion steht. Wenn sie nicht alle Abstimmungen über Europa blockieren würde. Ich sehe bei der Linken aber nicht die kleinste Bewegung in eine solche Richtung.
Wie reagiert ein Besserverdiener, der Grün gut findet, auf die Forderung Ihrer Partei, schon ab 80.000 Euro zu versteuerndem Einkommen den Spitzensteuersatz zu fordern?
Göring-Eckardt: Die grüne Wählerin und der grüne Wähler haben eine sehr klare Vorstellung davon, was ein Gemeinwesen ausmacht. Sie interessieren sich beispielsweise dafür, dass Schwimmbäder nicht schließen müssen, dass die Schulen intakt sind, dass es genügend Kita-Plätze für alle gibt. Das unterscheidet sie von vielen Wählern der FDP, die nur wollen, was dem eigenen Geldbeutel hilft.
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Außerdem muss man klar sagen: 90 Prozent der Einkommensteuerzahler würden durch unsere Vorschläge entlastet. Und der durchschnittliche Steuersatz für einen solchen Spitzenverdiener mit 80.000 Euro Jahresverdienst würde sehr moderat von 31 auf 32 Prozent steigen.
Die Grünen müssen sich mit dem Vorwurf auseinandersetzen, sich in ihrer Vergangenheit nicht entschieden genug gegen Pädophilie eingesetzt zu haben.
Göring-Eckardt: In diesem Wahlkampf hat mich noch kein einziger Bürger darauf angesprochen. Aber mich beschäftigt diese Diskussion schon. Ich bin in der DDR aufgewachsen, und kann mir diese Zeit und diese Ansichten damals im Westen nicht vorstellen. Das ist mir sehr fremd.