Essen. . Nach dem Ehec-Skandal mit 53 Todesopfern sollte die staatliche Aufsicht über die Lebensmittelkontrolle deutlich verbessert werden. Nun wird Städten und Kreisen vorgeworfen, lieber die heimische Wirtschaft zu schützen als die Kontrolle zu verbessern. Allein in NRW fehlen 300 Kontrolleure.

Zwei Jahre nach der Ehec-Darminfektion, bei der 4300 Menschen erkrankten und 53 starben, sabotieren Städte und Kreise die versprochene wirksame Verstärkung der Staatsaufsicht über die Nahrungsmittel. Diesen schweren Vorwurf erhebt Martin Müller, Chef des Bundesverbandes der Lebensmittelkontrolleure.

Kommunen und Kreise machten nicht nur „Lebensmittelkontrolle nach Kassenlage“, sagte er dieser Zeitung. Sie würden auch bewusst die Einstellung von Lebensmittelprüfern verhindern und kritische Daten zurückhalten, um „die heimische Wirtschaft zu schützen“.

2006 hatte der damalige nordrhein-westfälische Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) die Verdoppelung der Kontrolleurs-Stellen um 300 zugesagt, eingestellt wurden aber nur 40. Auch die rot-grüne Landesregierung steht dazu und finanziert zum Beispiel Ausbildung und Qualifizierung der Experten. Passiert sei aber dennoch nichts, weil Bürgermeister und Landräte die Mitarbeit verweigerten, so Müller: „Der Plan kann nicht umgesetzt werden, weil die, die die Leute einstellen müssen, zögern“.

„Bundesweit fehlen 1600 Kontrolleure“

Nicht nur NRW habe die Lücke. Bundesweit fehlten 1600 Kontrolleure, sagt Müller. Die Zahl der Aktiven liege seit langem und nach vielen Skandalen immer noch bei 2300. „Es ist nicht selten, dass ein Kollege 1200 bis 1500 Betriebe zu betreuen hat“. Einer könne aber höchstens zwei bis vier am Tag kontrollieren. „Die EU hat das bereits gerügt“.

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Tatsächlich ist nach Daten des Bundesamtes für Verbraucherschutz die Zahl der registrierten Lebensmittelbetriebe zwischen 2007 und 2011 von 1,18 Millionen auf 1,24 Millionen gestiegen, die der kontrollierten Firmen aber von 562.000 auf 548.000 gesunken.

Müller sieht enorme Risiken, wenn der Kontrolldruck nicht erhöht wird: „Risikobetriebe sind die Fleischbranche, Krankenhausküchen, die Babynahrungshersteller“. In den Städten gehörten Gastrobetriebe und Bäckereien zu den großen Sorgenkindern. „Bei fast jeder Prüfung sehen wir hygienische Probleme“.

Er fordert, die auf 400 Behörden verteilte Lebensmittelüberwachung in Deutschland der kommunalen Ebene zu entziehen und sie direkt dem Bund zu unterstellen. Damit schließt er sich einer Forderung des Präsidenten des Bundesrechnungshofes, Prof. Dieter Engels, an, der zuletzt „schwere organisatorische Mängel“ gerügt hatte.