Washington. . In der NSA-Affäre versucht die US-Regierung, das Heft des Handelns in der Hand zu behalten und gibt vertrauliche Informationen preis. Das Überwachungsprogramm “XKeyscore“ sie nicht zur flächendeckenden Überwachung eingesetzt. Doch die Enthüllungsjournalisten vom britischen “Guardian“ legen nach.
Neue Enthüllungen im Skandal um die globale Datenspionage des US-Geheimdienstes NSA bringen die Regierung in Washington weiter unter Druck. Ein am Mittwoch veröffentlichtes Dokument des Informanten Edward Snowden untermauert den Vorwurf, dass die NSA praktisch unbegrenzten Zugriff auf Internetdaten der Menschen weltweit habe. Innenpolitisch versuchte die US-Regierung, mit der Veröffentlichung von Details über die Sammlung amerikanischer Telefondaten die Wogen zu glätten. Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) zeigte sich unzufrieden mit der Informationspolitik der US-Behörden. Der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney, beschwichtigt.
Wieder war es die britische Tageszeitung "The Guardian", die die Snowden-Enthüllungen öffentlich machte. Sie stellte eine NSA-Präsentation ins Netz, nach der Mitarbeiter über ein Programm namens "XKeyscore" Zugriff auf gewaltige Datenmengen haben. Dieses Programm setzt auch das deutsche Bundesamt für Verfassungsschutz testweise ein. Dem Dokument von 2008 zufolge können Geheimdienstler in den "enormen Datenbanken" der NSA nach Namen, E-Mail-Adressen, Telefonnummern und Schlagworten suchen. Für die einzelnen Anfragen bräuchten sie keine gesonderte Zustimmung eines Richters oder eines anderen NSA-Mitarbeiters, schreibt der "Guardian".
US-Überwachungsprogramm "XKeyscore" sammelt Millionen von Daten
Auch die Beobachtung der Internetaktivität einzelner Menschen in Echtzeit sei mit "XKeyscore" möglich. Unter anderem könne man die IP-Adresse jedes Besuchers einer bestimmten Website erfassen. Inhalte der Kommunikation würden drei bis fünf Tage lang gespeichert, Verbindungsdaten 30 Tage. Innerhalb eines solchen 30-Tage-Zeitraums im Jahr 2012 seien 41 Milliarden Datenpunkte zusammengekommen.
Carney erklärte, auf alle NSA-Analyseprogramme könnten nur Personen mit besonderer Zugangsberechtigung zugreifen. Es gebe strenge Kontrollen, um zu vermeiden, dass andere zur Datensammlung der NSA Zugang hätten. Behauptungen eines umfassenden und ungeprüften Zugangs seien falsch, betonte Carney.
Die drei vertraulichen Dokumente, die die US-Regierung selbst ins Internet stellte, brachten nichts wirklich Neues ans Licht. Die Berichte aus den Jahren 2009 und 2011 legen nur in groben Zügen offen, unter welchen Voraussetzungen die massive Sammlung von Telefondaten stattfindet, die der Computerspezialist Snowden bereits Anfang Juni enthüllt hatte. Beobachter werten die Veröffentlichung als Versuch, dem wachsenden Widerstand im Kongress wie in der Bevölkerung gegen die massive Überwachung etwas entgegenzusetzen.
Senats-Ausschuss befragt NSA-Verantwortliche
Zeitgleich mit der Veröffentlichung im Netz befasste sich am Mittwoch der Rechtsausschuss des Senats in Washington mit den Papieren. Unter anderem wurden der stellvertretende US-Justizminister James Cole sowie der Vize-Chef der NSA, John Inglis, angehört. Die von der NSA gesammelten Daten enthielten keine Namen, keinen Ort und nicht den Inhalt der Gespräche, versicherte Cole vor dem Ausschuss.
In Deutschland sorgt die Informationspolitik der US-Regierung weiter für Frust. "Wir sind mit dem, was bisher an Informationen uns zur Verfügung gestellt worden ist, noch nicht zufrieden", sagte Westerwelle der Nachrichtenagentur dpa in Berlin. Der Außenminister machte auch deutlich, dass er mit der baldigen Aufhebung einer seit Jahrzehnten geltenden Vereinbarung mit den USA zur Überwachung von Telekommunikation in Deutschland rechnet. Sie war 1968 mit der Einführung des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G-10-Gesetz) geschlossen worden.
Edward Snowden selbst hält sich seit dem 23. Juni im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo auf. Auf seiner Flucht vor der US-Justiz bemüht sich der 30 Jahre alte IT-Experte um vorläufiges Asyl in Russland. Unterstützung bekam er am Mittwoch von seinem Vater: "Wenn ich er wäre, würde ich in Russland bleiben", sagte Lon Snowden in einer Sendung des russischen Staatsfernsehens. Er sei stolz auf seinen Sohn. Zudem dankte er Kremlchef Wladimir Putin dafür, seinem Sohn Schutz vor den US-Behörden zu gewähren.
Eine von den USA geforderte Auslieferung Snowdens lehnt Russland kategorisch ab - auch weil es dafür kein Abkommen gebe. Zuletzt hatte US-Justizminister Eric Holder in einem Brief zugesichert, dass Snowden weder Todesstrafe noch Folter befürchten müsse. (dpa)