Essen/Paderborn. . Die Worte von Papst Franziskus über homosexuelle Menschen haben bei Schwulenverbänden und katholischen Geistlichen im Ruhrgebiet Hoffnung ausgelöst. Tatsächlich vollzieht der Papst mit seiner aufsehenerregenden Wortmeldung eine Entwicklung nach, die an der Basis der katholischen Kirche schon vor Jahren eingesetzt hat – weg von Ausgrenzung, hin zum Dialog.

Die katholische Reformbewegung „Wir sind Kirche“ spricht von einem „Befreiungsschlag“. Beim Zentralkomitee der deutschen Katholiken schwärmt man von einer neuen „Gesprächskultur“. Und in Grünen-Politiker Volker Beck, selbst homosexuell, keimt „Hoffnung auf eine neue Haltung des Vatikans zu den Menschenrechten von Lesben und Schwulen“.

Die Äußerung von Papst Franziskus: „Wenn eine Person schwul ist, den Herrn sucht und guten Willens ist – wer bin ich, dass ich über ihn richte?“, findet Beifall von fast allen Seiten. „Die Art und Weise seiner Äußerung ist wohltuend“, sagte der Paderborner Bistumssprecher Ägidius Engel. Und in der Sache habe der Heilige Vater die bestehende Position der katholischen Kirche bestätigt.

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Walter Bau
Von Walter Bau

„Der Papst hat noch einmal deutlich betont, dass es Lehre der Kirche ist, dass homosexuellen Menschen mit Achtung und Takt zu begegnen sei und niemand den Stab über sie brechen dürfe“, erklärte der Essener Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck ebenfalls auf Anfrage.

Das „Zukunftsbild“ der Kirche

Tatsächlich vollzieht der Papst mit seiner aufsehenerregenden Wortmeldung eine Entwicklung nach, die an der Basis der katholischen Kirche schon vor Jahren eingesetzt hat – weg von Ausgrenzung, hin zum Dialog. Bestes Beispiel dafür ist eben das Ruhr-Bistum.

Als der damals noch neue Ruhrbischof 2010 in der ARD-Talkshow von Anne Will den Satz „Homosexualität ist Sünde“ in die Kamera sprach, verstanden dies viele als Maßregelung und Distanzierung. Doch Overbeck, der aus dem eher beschaulichen Münster ins großstädtische und vielgestaltige Ruhrgebiet gewechselt war, hat daraus gelernt.

Schon kurz nach der Sendung startete er eine Dialog-Reihe mit Homosexuellen-Verbänden, die bis heute läuft. „Ich bin dankbar dafür, dass wir in einem guten Dialog mit Vertretern des Forums Essener Lesben und Schwulen sind“, sagte Overbeck dieser Zeitung. Zwar seien die Gesprächsrunden „nicht frei von Kontroversen“, doch stärkten sie nach Ansicht aller Beteiligten das gegenseitige Vertrauen.

Wunsch nach unverkrampftem Umgang der Kirche mit Homosexuellen

In einer weiteren Dialogreihe mit der katholischen Basis ging es um die Frage, wie die Kirche auf radikale Veränderungen in der Gesellschaft reagieren soll. Dabei wurde ein „Zukunftsbild“ erstellt.

Darin heißt es: „Im Bistum Essen haben wir Lust auf die Vielfalt der Leute zwischen Lenne und Ruhr. Wir schätzen die freie Selbstbestimmung der Menschen und die Vielfalt der Lebensentwürfe, die modernes Leben und moderne Gesellschaften prägen.“ Auch wenn Homosexualität nicht ausdrücklich erwähnt wird, ist unverkennbar, worauf diese Erklärung auch abzielt.

Das Ruhrbistum steht nicht allein. Auch der Berliner Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki wünscht sich einen unverkrampften Umgang der Kirche mit Homosexuellen. Im Katechismus (Lehrbuch des christlichen Glaubens) der, so betonte Woelki einmal, stehe, dass man sich hüten solle, homosexuell veranlagte Menschen in irgendeiner Weise ungerecht zurückzusetzen.

Und: „Wenn ich das ernst nehme, darf ich in homosexuellen Beziehungen nicht ausschließlich den ,Verstoß gegen das natürliche Gesetz‘ sehen, wie es der Katechismus formuliert.“

Insgesamt ist Homosexualität ein Thema, das vor allem die katholische Kirche seit vielen Jahren und in unterschiedlichen Facetten bewegt. Ein Aspekt, der immer wieder für Schlagzeilen sorgte, ist dabei der Umgang mit homosexuellen Geistlichen.

Gegen schwule Seilschaften

Erst vor wenigen Wochen war auf der Internetseite einer chilenischen Zeitung das Protokoll eines Gesprächs zwischen dem Papst und lateinamerikanischen Ordensleuten veröffentlicht worden. Es zitiert Franziskus mit den Worten, es gebe „Heilige in der Kurie“, aber auch eine „korrupte Strömung“ und homosexuelle Seilschaften: „Es wird von einer ,lobby gay‘ gesprochen; es ist wahr, dass es die gibt. Wir müssen sehen, was wir tun können.“

Als Franziskus nun auf dem Rückweg vom Weltjugendtag in Rio von Journalisten auf die Berichte über eine „Homosexuellen-Lobby“ im Vatikan angesprochen wurde, sagte er, im Vatikan habe ihm niemand einen Ausweis gezeigt, dass er homosexuell sei. Aber: „Man sagt, es gebe solche Personen.“ Man müsse unterscheiden „zwischen Schwulsein, diese Tendenz haben oder Lobby machen“, sagte Franziskus. „Die Lobbys, alle Lobbys sind nicht gut.“