Düsseldorf. Einer Studie zufolge können sich viele Durchschnittsverdiener in Deutschland kaum noch die Wohnungsmiete leisten, ohne unter Hartz-IV-Niveau zu rutschen. Die Lage im Ruhrgebiet ist noch vergleichsweise günstig, doch wer in ein Armutsviertel hineingeboren wird, hat wenig Chancen auf sozialen Aufstieg.

Die Miete – eine Armutsfalle? Zum Beispiel Essen: Die Stadt schneidet im bundesweiten Vergleich noch recht günstig ab. Wohnkosten sind insgesamt „stabil“, Kaufpreise steigen leicht. Fast jede zweite der „familiengeeigneten“ Wohnungen ist nach einer Studie für Durchschnittsverdiener finanzierbar. Einkommensarme können noch jede fünfte Wohnung bezahlen: Mit 22 Prozent ist für sie das Angebot in der Revier-Kommune fast doppelt so groß wie im Bundesschnitt. Im Hamburg etwa sind nur zwei von 100 Wohnungen für Familien mit wenig Geld erschwinglich.

Armutsrisiko für Kinder NRW Mietenvergleich

Die Wohnsituation in Essen ist nicht rosig, aber besser als in vielen der hundert größten deutschen Städte, die im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung untersucht wurden. Das Ergebnis ist ernüchternd: In mehr als jeder zweiten Kommune steigern Wohnungsknappheit und wachsende Kosten das Armutsrisiko vor allem von Kindern. Wenn dort die Miete erst einmal gezahlt ist, bleibt vielen nur noch ein Leben auf Hartz-IV-Niveau. Oder darunter.

NRW-Städte im Vergleich: So viel bleibt Familien nach Abzug der Mietkosten übrig
NRW-Städte im Vergleich: So viel bleibt Familien nach Abzug der Mietkosten übrig

Wer als Familie weniger als 60 Prozent des ortsüblichen mittleren Einkommens verdient, landet nach Abzug der Miete in 60 der 100 Städte unter der staatlichen Grundsicherung von 1169 Euro – so weit die Gutachter. Für viele wird Wohnen längst zum teuersten Konsumgut, und das bundesweite Gefälle ist drastisch.

Günstiger Wohnraum ist knapp

Während in Jena eine vierköpfige Familie mit rechnerisch 666 Euro um 43 Prozent unter dem Hartz-IV-Satz landet, wenn sie die Miete überwiesen hat, wirkt sich günstiges Mietpreisniveau woanders positiv aus. In Iserlohn, Witten oder Bergisch-Gladbach etwa sinkt das Armutsrisiko: Dort liegt das Familienbudget mit rund 1750 Euro um rund 50 Prozent über der Grundsicherung, wenn die Miete schon bezahlt ist.

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WAZ Düsseldorf - Korrespondent Theo Schumacher in Essen
Von Theo Schumacher

Während es Geringverdiener in Essen, Oberhausen oder Hagen nach Abzug der Wohnkosten nicht ganz so hart trifft, fallen einkommensarme Familien in vielen anderen Städten an Rhein und Ruhr unter die Hartz-IV-Grenze: etwa in Herne, Bochum, Gelsenkirchen oder Bottrop. In vielen Großstädten haben es darüber hinaus Familien mit schmalem Haushaltsgeld generell schwer, überhaupt eine bezahlbare Bleibe zu finden. In München oder Freiburg kommt für sie nur eine von hundert Wohnungen infrage. In NRW ist das Angebot in Bonn, Düsseldorf, Aachen oder Münster ähnlich miserabel.

Billige Wohnungen verschwinden

Grundsätzlich gilt: möchte eine betroffene Familie maximal 30 Prozent ihres Einkommens fürs Wohnen ausgeben – das ist der Bundesdurchschnitt –, tendiere mancherorts das Angebot „gegen Null“. Doch bei der Ursachenforschung tappen auch die Gutachter von „empirica“ im Dunkeln. Weder die Größe einer Stadt noch ihre Wirtschaftskraft oder Sozialstruktur reichten allein als plausibles Erklärungsmuster aus. Zusammenhänge sehen sie zur demografischen Entwicklung – wo Städte wachsen, verschwindet oft billiger Wohnraum. Der Wohnungsmarkt gerät auch dort unter Druck, wo Hochschulen immer mehr Studenten anziehen.

„Der kommunale Wohnungsmarkt hat erheblichen Einfluss auf das Armutsrisiko von Kindern“, sagt Bertelsmann-Vorstand Jörg Dräger. Die Studie kommt zu dem Schluss, dass deshalb benachteiligte Stadtteile stärker gefördert werden müssen. „Wer in ein Problemviertel geboren wird, hat deutlich geringere Chancen auf sozialen Aufstieg“, folgern die Autoren – eine Erkenntnis, die freilich nicht brandneu ist.