Washington/Havanna. Der Fall Snowden belastet immer schwerer die internationale Politik. Noch immer soll sich der von den USA Gejagte in einem Moskauer Flughafen aufhalten - eine Strapaze für die bilateralen Beziehungen. Nach einem Medienbericht erwägt Obama, sein Treffen mit Kremlchef Putin abzusagen.
Das wochenlange Versteckspiel des flüchtigen Ex-US-Geheimdienstmitarbeiters Edward Snowden stört zunehmend das Verhältnis zwischen den USA und Russland. US-Präsident Barack Obama drohe mit der Absage des langerwarteten Spitzentreffens mit Kremlchef Wladimir Putin in Russland Anfang September, berichtete die Moskauer Zeitung "Kommersant" am Montag.
Falls sich Snowden dann noch immer im Transitbereich des Moskauer Flughafens Scheremetjewo aufhalte, wolle Obama auch nicht zum folgenden G20-Gipfel am 5./6. September nach St. Petersburg reisen, schrieb das Blatt unter Berufung auf Quellen im US-Außenministerium. Der Kreml widersprach: Die Vorbereitungen für den Obama-Besuch liefen auf Hochtouren, sagte Putins Sprecher Dmitri Peskow.
Die USA suchen den IT-Spezialisten Snowden wegen Geheimnisverrats. Russland lehnt jedoch mit Verweis auf die in den USA mögliche Todesstrafe eine Auslieferung ab.
Gesuchter Snowden könnte über Kuba nach Südamerika fliegen
Der kubanische Präsident Raúl Castro begrüßte unterdessen die Asylangebote der lateinamerikanischen Staaten Venezuela, Bolivien und Nicaragua für Snowden. "Wir unterstützen das souveräne Recht Venezuelas und aller Länder der Region, den wegen ihrer Ideale oder des Kampfes für demokratische Rechte Verfolgten Asyl zu gewähren", sagte Castro in einer Ansprache vor der Volksversammlung in Havanna.
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Nach Ansicht von Kommentatoren könnte Snowden mit der russischen Fluglinie Aeroflot direkt in die kubanische Hauptstadt reisen und von dort in sein Asylland weiterfliegen.
Offenbar massive Spionage der USA in Brasilien
Venezuela erwartete noch an diesem Montag eine Antwort Snowdens auf das Asylangebot. Bislang habe es keinen direkten Kontakt gegeben, sagte Außenminister Elías Jaua am Rande des Gipfels der Karibischen Gemeinschaft (Caricom) in Trinidad und Tobago. In Venezuela sind wie in Nicaragua und Bolivien linksgerichtete Regierungen an der Macht, die die Dominanz der USA auf dem Kontinent äußerst kritisch sehen.
Inzwischen wurde bekannt, dass es offenbar auch in Lateinamerika massive Spionageangriffe der USA gegeben hat. In Brasilien seien Millionen von E-Mails und Telefonaten angezapft worden, berichtete die Zeitung "O Globo". Die Eingriffe seien "über Jahre und systematisch" erfolgt. Brasilien reagierte mit "großer Besorgnis".
Spähvorwürfe belasten Start der Freihandelsgespräche von USA und EU
Die Spähvorwürfe gegen den amerikanischen Geheimdienst NSA überschatten unterdessen den Start der Verhandlungen über eine gemeinsame Freihandelszone zwischen der EU und den USA. Deutsche Spitzenpolitiker verwiesen am Montag zum Auftakt der Handelsgespräche auf die wirtschaftliche Bedeutung der Freihandelszone, forderten aber Aufklärung der Amerikaner bei den Datenschutzfragen. Einige sehen dies als Voraussetzung für das Gelingen der Handelspartnerschaft.
Der US-Geheimdienst NSA soll angeblich EU-Vertretungen ausgespäht und in großem Stil auch in Deutschland Kommunikation per E-Mail und Telefon überwacht haben. Die Berichte darüber sorgen seit Wochen international für Empörung. Auch Wochen nach den ersten Enthüllungen wartet die Bundesregierung noch immer auf Antworten aus Washington.
In den nächsten Tagen sind Spitzenbeamte von Regierung und Nachrichtendiensten und auch Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) zu Gesprächen in Washington. Sie wollen klären, was an den Vorwürfen gegen die NSA dran ist. Außerdem will auch eine Arbeitsgruppe der EU mit den USA über das Thema Datenschutz reden.
Bundesregierung wird Erkenntnisse über Späh-Aktionen vielleicht nicht öffentlich machen
Die Bundesregierung hofft bei den anstehenden Gesprächen mit den USA selbst auf neue Erkenntnisse. "Wir sind jetzt im Prozess der Sachaufklärung", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Er dämpfte aber zugleich die Erwartungen an schnelle Ergebnisse: "Wir werden vielleicht mehrere Gespräche dafür brauchen." Seibert ließ offen, inwieweit und in welcher Form die Regierung die Erkenntnisse publik machen wird: "Das werden wir sehen, wenn die Gespräche vorbei sind."
Parallel dazu laufen die Beratungen über das geplante Freihandelsabkommen, die am Montagnachmittag deutscher Zeit in Washington beginnen sollten. Die geplante Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) soll in der EU und den USA das Wachstum deutlich ankurbeln und viele neue Arbeitsplätze schaffen. Es soll die größte Freihandelszone der Welt mit 800 Millionen Bürgern entstehen. Erwartet wird, dass sich das Treffen in dieser Woche anfangs lediglich um Verfahrensfragen und Terminabsprachen drehen wird. Am Mittwoch wollen beide Seiten erstmals vor die Presse treten.
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FDP-Chef Philipp Rösler betonte, bei aller Enttäuschung über das Vorgehen der Amerikaner wäre ein Aussetzen der Verhandlungen ein falsches Signal. "Das Abkommen liegt im Interesse Europas und im besonderen Sinne Deutschlands", sagte der Bundeswirtschaftsminister der "Passauer Neuen Presse" (Montag).
CDU-Vize Julia Klöckner sieht die Verhandlungen durch die Spionagevorwürfe belastet: "Der Prozess ist ganz klar getrübt." Es gelte, nun den USA deutlich zu machen, "dass man nicht über Freihandelszonen reden kann, wenn der Verdacht zum Beispiel der Wirtschaftsspionage besteht".
EU-Energiekommissar Günther Oettinger appellierte an die Amerikaner, die offenen Fragen der Europäer zu den Spähprogrammen zu beantworten. Die Verhandlungen über den Datenschutz dürften die Gespräche zum Freihandelsabkommen aber nicht beeinträchtigen, sagte Oettinger im Südwestrundfunk.
SPD-Chef Sigmar Gabriel rief die Bundesregierung auf, Druck auf die USA zu machen. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir mitten in einer solchen Situation mit den Vereinigten Staaten ein Freihandelsabkommen schließen, ohne aufzuklären und vor allen Dingen zu beenden, was sich dort offensichtlich seit längerer Zeit abspielt", sagte er dem Radiosender MDR Info. (dpa)