Hemer.. „Ich freue mich auf Obama“: Außenminister Guido Westerwelle (FDP) betont am Tag vor dem Besuch des amerikanischen Präsidenten die Bündnistreue zwischen Deutschland, Europa und den USA. Sorgen bereiten ihm die Proteste in der Türkei, der rigide Umgang mit Homosexuellen in Russland und der Bürgerkrieg in Syrien.
Der eine Regierungschef verscheucht seine Kritiker mit Wasserwerfern, der nächste ruft zur Jagd auf Homosexuelle. Hinzu kommen der Bürgerkrieg in Syrien sowie die Internetspionage der US-Amerikaner: soweit die Brennpunkte, zwischen denen sich Guido Westerwelle (FDP) bewegt.
Kurz vor dem Besuch des amerikanischen Präsidenten Barack Obama erklärt der Außenminister, warum er nach wie vor an die weltweite Durchsetzung von Freiheit und Liberalität glaubt – und an den Bündnispartner USA.
Sind Sie enttäuscht von Barack Obama?
Guido Westerwelle: Nein. Ich freue mich auf seinen Besuch. Er ist eine Bestätigung dafür, dass die USA Deutschland und Europa als entscheidenden Bündnis- und Wertepartner betrachten. Und ich verspreche mir Impulse für die Abrüstungspolitik, für mehr wirtschaftliche Zusammenarbeit und den freien Handel.
Der US-Präsident lässt im Internet Ausländer bespitzeln, sogar die Facebook-Einträge von deutschen Jugendlichen, die in den USA eine Au-Pair-Stellen antreten wollen, werden mitgelesen. Das muss einen liberalen Außenminister doch schockieren.
Westerwelle: Ich halte es für notwendig, diese Fragen in freundschaftlicher, aber auch offener Weise mit der amerikanischen Regierung zu besprechen. Die Balance zwischen berechtigten Sicherheitsinteressen einerseits und dem Schutz der Privatsphäre andererseits muss stimmen. Das sehen nicht nur wir Deutsche so, das ist auch ein ur-amerikanisches Anliegen.
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Angeblich will Bundesinnenminister Friedrich den Amerikanern bei der Internet-Spionage nacheifern und entsprechende Finanzmittel aufstocken. Stehen Ihnen da die Haare zu Berge?
Westerwelle: Bundesjustizministerin Leutheusser-Schnarrenberger wird als Anwältin der Bürgerrechte mit größter Aufmerksamkeit auf die richtige Balance achten. Der Schutz der Privatsphäre ist ein ganz hohes Gut in der deutschen Verfassung.
Stichwort Bürgerrechte: Vergangene Woche haben Sie die Reisehinweise für Russland verschärft, weil Homosexuelle dort verfolgt werden.
Westerwelle: Ich bedauere sehr, dass sich die Situation der Zivilgesellschaft und der Nicht-Regierungsorganisationen in Russland so verschlechtert hat. Es ist mit einer freien demokratischen Gesellschaft nicht vereinbar, dass Menschen, nur weil sie regierungskritisch sind, mit Partnerorganisationen im Ausland zusammenarbeiten oder gleichgeschlechtlich orientiert sind, dauerhaft unter dem Damoklesschwert permanenter Beobachtung und auch Verfolgung stehen. Das kritisieren wir. Deswegen war es leider auch notwendig, die Reisehinweise anzupassen. Der russischen Regierung habe ich unsere Haltung deutlich mitgeteilt.
Warum hat der Liberalismus einen so schweren Stand?
Westerwelle: Wir Liberale erleben es doch nicht zum ersten Mal, dass der Kampf für die Bürgerrechte einen schweren Stand hat. Aber am Ende werden sich die Freiheit und die Liberalität in der Welt durchsetzen. Die Demonstrationen in der Türkei sind auch ein Ausweis der Reifung und Modernisierung der türkischen Gesellschaft. Um so bedauerlicher ist die Reaktion der türkischen Regierung.
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Hat sich die Türkei für einen EU-Beitritt disqualifiziert?
Westerwelle: Es sind jedenfalls neue Fragen aufgeworfen worden, was die technischen Umsetzungen angeht. Die türkische Regierung ist aufgerufen, mit Deeskalation und Dialog auf die Lage zu reagieren und nicht mit einer rhetorischen und tatsächlichen Verhärtung und Verschärfung. Aus meiner Sicht sollten wir deshalb die Gespräche jetzt auf den Bereich von Rechtsstaat und Justiz ausweiten.
Auch Syrien gibt keinen Anlass zu Hoffnung.
Westerwelle: Die Lage in Syrien ist in der Tat bedrückend. Ich habe in Jordanien Flüchtlinge besucht: Das bricht einem das Herz. Auf der anderen Seite kann ich mich nicht allein von Emotionen leiten lassen, sondern muss auch berücksichtigen, dass kein Flächenbrand in der ganzen Region entstehen darf. Wir Deutsche haben entschieden, dass wir keine Waffen an die syrische Opposition liefern werden. Wir helfen aber als eines der größten Geberländer humanitär und beim Wiederaufbau. Wenn andere Partner Waffen liefern wollen, dann müssen sie die Frage beantworten, wie sichergestellt werden kann, dass diese Waffen nicht in die Hände von Extremisten und Terroristen geraten können. Denn das würde neue, womöglich unkalkulierbare Risiken schaffen.
Haben diese Länder aus der Geschichte nichts gelernt?
Westerwelle: Wenn unsere Partner nach einer schwierigen Abwägung zu dieser Entscheidung kommen, dann respektieren wir das. Deutschland wird keine Waffen liefern. Unsere Überzeugung ist, dass es in Syrien keine militärische Lösung geben wird.
Können wir denn sicher sein, dass die Hilfe aus Deutschland nicht in falsche Hände gerät?
Westerwelle: Wir tun alles, um sicherzustellen, dass das, was wir leisten, auch an der richtigen Stelle hilft. Und wir haben dafür sogar ein Projektbüro an der syrischen Grenze in der Türkei eingerichtet.
Gut und Böse: Funktioniert diese pauschale Unterscheidung in Syrien überhaupt?
Westerwelle: In Syrien geht erkennbar die Hauptverantwortlichkeit für die Gewalt von dem Regime Assad aus. Es gibt aber auch auf der anderen Seite Grausamkeiten, die nicht akzeptiert werden können. Wenn Dschihadisten, Extremisten und Terroristen gegen Assad kämpfen, werden sie deshalb noch nicht zu unseren Verbündeten. Denn diese Leute sehen in Damaskus nur ein Zwischenziel, in Wahrheit geht es ihnen um Jerusalem.
Zum Schluss etwas mutmaßlich Positives. Macht Ihnen die Entwicklung im Iran Hoffnung?
Westerwelle: Wir werden die neue politische Lage in Teheran genau beobachten. Ich zähle ja zu den westlichen Außenministern, die im unmittelbaren Gespräch mit der iranischen Führung geblieben sind. Gleichzeitig ist aber für uns klar, dass eine nukleare Bewaffnung des Irans nicht akzeptabel ist. Jetzt müssen wir sehen, ob der neue iranische Präsident einen Reformkurs nach innen wie nach außen verfolgen wird, oder besser sollte ich sagen: verfolgen kann.