Moskau/Berlin. Das vom russischen Parlament verabschiedete Gesetz gegen Homosexuelle stößt in Deutschland auf scharfe Kritik. “Damit werden Homosexuelle noch weiter an den Rand gedrängt und die Presse- und Meinungsfreiheit noch weiter eingeschränkt“, sagt der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP). In Moskau protestieren unterdessen Tausende Menschen für die Freiheit inhaftierte Regierungsgegner.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Markus Löning (FDP), hat das vom russischen Parlament verabschiedete Gesetz gegen sogenannte "Homosexuellen-Propaganda" scharf kritisiert.
"Damit werden Homosexuelle noch weiter an den Rand gedrängt und die Presse- und Meinungsfreiheit noch weiter eingeschränkt", erklärte Löning am Mittwoch in Berlin. Er forderte den russischen Präsidenten Wladimir Putin und die zweite Kammer des Parlaments auf, "das Gesetz zu stoppen". "Die Regierung muss dafür sorgen, dass jeder Mensch in Russland frei von Verfolgung und Diskriminierung leben kann", mahnte Löning. Das Gesetz verstoße gegen internationale Verpflichtungen, die Russland eingegangen sei, darunter die Europäische Menschenrechtskonvention.
Der Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit (SPD), erklärte am Mittwoch: "Dieses Gesetz schafft ein Klima, das Ressentiments gegen Homosexuelle befördert und einen Nährboden für Hass und Gewalt gegen Menschen mit anderer sexueller Orientierung bietet." Die Ausgrenzung und Verfolgung von Minderheiten in Russland habe eine neue Stufe erreicht, erklärte Wowereit.
Im Beisein von Kindern darf nicht mehr über Homosexualität gesprochen werden
Die Duma verabschiedete am Dienstag mit großer Mehrheit zwei Gesetze. Das eine stellt positive Äußerungen über Homosexualität in Anwesenheit von Minderjährigen unter Strafe. Bei Zuwiderhandlungen drohen Geldbußen; Organisationen, die gegen das Gesetz verstoßen, können bis zu 90 Tage geschlossen werden. Das Gesetz schließt auch Ausländer mit ein, die nach Russland reisen, um Kundgebungen von Homosexuellen zu unterstützen.
In zweiter Lesung war der Begriff "Homosexualität" gegen die Wendung "nicht traditionelle sexuelle Beziehungen" ersetzt worden. Dies ändere nichts daran, dass das Gesetz Schwule, Lesben, Bi- und Transsexuelle diskriminiere, erklärte die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch.
Das zweite Gesetz am Dienstag verabschiedete Gesetz stellt die Verletzung religiöser Gefühle unter Strafe und zielt damit auf Protestaktionen, wie sie etwa die oppositionelle Frauenpunkband Pussy Riot im vergangenen Jahr in einer Moskauer Kirche abhielt. Die Beleidigung religiöser Gefühle könnte künftig mit bis zu drei Jahren Haft bestraft werden.
Tausende demonstrieren in Moskau für die Freilassung politischer Gefangener
Unterdessen haben tausende Demonstranten bei einem Protestmarsch durch Moskau von Kremlchef Wladimir Putin Freiheit für inhaftierte Regierungsgegner verlangt. Am russischen Nationalfeiertag versammelten sich vor allem Vertreter linker Gruppen sowie Liberale im Zentrum der russischen Hauptstadt. Die Organisatoren sprachen bei sommerlichem Wetter von 30.000 Teilnehmern an der genehmigten Kundgebung, die Polizei hingegen von 6000. Tausende Sicherheitskräfte waren im Einsatz.
An der Spitze der Demonstrationszugs unter dem Motto "Für unsere und Eure Freiheit" gingen der prominente Blogger Alexej Nawalny, der im September bei der Bürgermeisterwahl in Moskau antreten will, sowie andere Oppositionsführer wie Michail Kassjanow, Wladimir Ryschkow und Ilja Jaschin. Die Teilnehmer trugen Fotos prominenter inhaftierter Regierungsgegner wie der Frauen der Punkband Pussy Riot.
12. Juni ist in Russland ein politischer Feiertag
Präsident Putin betonte unterdessen in seiner Feiertagsansprache im Kreml, Demokratie, Menschenrechte sowie Rechtsstaatlichkeit seien untrennbar mit der Entwicklung des Landes verbunden. "Diese Werte haben Priorität für uns", sagte Putin einer Mitteilung zufolge. Der 12. Juni zum Gedenken an die Unabhängigkeit von der Sowjetunion 1990 ist als "Tag Russlands" ein politischer Feiertag.
"Putin ist ein Dieb" und "Putin - die Schande Russlands", riefen hingegen die Demonstranten. Auch Schwule und Lesben marschierten mit Regenbogenfahnen in einem eigenen Block mit, wie ein Korrespondent der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Die Staatsduma hatte am Vortag ein umstrittenes Verbot von "Homosexuellen-Propaganda" beschlossen, das auch das Zeigen der Regenbogenfahne verbietet.
Die nächste Großdemo im Herbst
Größere Zwischenfälle gab es zunächst nicht. Die Polizei nahm neun Menschen fest. Sie hatten Fahnen der außerparlamentarischen Linken Front geschwenkt, der nach einem umstrittenen Gerichtsbeschluss bis zum 19. Juli alle Aktivitäten untersagt sind.
Die nächste Großdemonstration der Opposition werde wohl nicht vor Herbst stattfinden, sagte Organisator Pjotr Zarkow der Agentur Interfax. Viele Russen verbringen den Sommer auf dem Land. (dpa/afp)