Rom. . Nach zwei Monaten das Denken des neuen Papstes langsam erkennbar: Franziskus verzichtet auf päpstlichen Pomp und predigt seinen Bischöfen und Priestern Armut und Demut - doch von Kirchenreformen spricht er nicht. Kirchenreform besteht für Franziskus offenbar darin, dass Gläubige ihren eigenen Auftrag als Getaufte ernst nehmen.

Doch, es gibt etwas, das Franziskus in seinen zwei Monaten als Papst noch nicht verändert hat. „Brüder und Schwestern!“, sagt er, wenn er die Massen auf dem Petersplatz anspricht: Die Männer kommen im vatikanischen Sprachgebrauch immer noch zuerst.

Alles andere am Erscheinungsbild dieses Papstes ist neu. Verschwunden sind aus den Gottesdiensten die festlichen Chorröcke seiner Assistenten. Franziskus bleibt bei seinem eigenen, schlichten Messgewand, das er im Koffer aus Buenos Aires mitgebracht hat. Auch auf die berühmten roten Schuhe verzichtet er.

Das herrschaftliche, barocke Ambiente des Apostolischen Palasts benutzt Franziskus höchstens zum Empfang von Staatsgästen. Den Rest erledigt er im Hotel. „Außerordentlich wohl“ fühle dieser Papst sich dort, im vatikanischen „Gästehaus Sankt Martha“, sagt Pressesprecher Federico Lombardi.

Gemeinsames Essen im Speisesaal

Da hat er zwar – anders als Benedikt – keine vier Schwestern, die nur ihn umsorgen; da kocht eine Mannschaft für bis zu 120 Gäste gleichzeitig, und Franziskus isst mit allen zusammen im Speisesaal. „Heiliger Vater, darf ich mich zu Ihnen setzen?“, sprach ihn dort der junge philippinische Kardinal Luis Tagle an: „Aber bitte, Heiliger Sohn“, antwortete Franziskus. Es sei leicht, mit dem Papst ins Gespräch zu kommen, heißt es im Vatikan, er suche sogar den Kontakt von sich aus.

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Jeden Morgen um 7 Uhr beispielsweise. Die Frühmesse in der Kapelle des Gästehauses ist zu einem Fixpunkt für dieses Pontifikat geworden. Da feiert mit, wer gerade im „Sankt Martha“ wohnt; da werden Vatikanbedienstete eingeladen (und jeder mit Handschlag begrüßt); da predigt Franziskus Tag für Tag. Gegen eine Kirche, die auf sich selber bezogen ist und nicht hinausgeht.

Gegen die „Salon-Christen“

Gegen „diese Salon-Christen, die hier auch unter uns sind, nicht wahr: diese Wohlerzogenen, Braven“, denen die apostolische Leidenschaft fehle, Christus zu verkündigen, „weil sie die Welt nicht aufrütteln, nicht stören.“ Den Bischöfen und Priestern sagt er, sie sollten sich „nicht lächerlich machen und der Kirche schaden, indem sie dem Geld und der Karriere folgen.“ Ein Hirt müsse „riechen nach seinen Schafen“. Den Nachsatz verkniff er sich, aber jeder konnte ihn sich denken: „...und nicht nach Weihrauch.“

Es sind kurze, eindringliche Predigten in volksnaher Sprache. Alle aus dem Stegreif. Schrittweise legen sie das Denken dieses Papstes offen.

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Eine unter diesen Predigten hat besonderes Aufsehen erregt, weil Franziskus sie genau am Geburtstag von Benedikt XVI. hielt, am 16. April. Da vermerkte er in beinahe dramatischer Rede, dass das Zweite Vatikanische Konzil, die große Versammlung zur Kirchenreform, auch nach 50 Jahren nicht umgesetzt sei: „Das Konzil war ein schönes Werk des Heiligen Geistes, aber wir wollen nicht, dass es uns in unseren bequemen Gewohnheiten stört. Wir wollen nichts verändern, einige wollen sogar zurück.“ Damit aber, fuhr Franziskus fort, „werden wir starrsinnig.“

Keine Rede von Reformen

Kirchenreformen, hatte Benedikt XVI. gesagt, hätten „in Zeiten der Glaubenskrise“ keinen Platz. Von Reformen hat auch Franziskus bisher nicht gesprochen – jedenfalls nicht in dem Sinn, wie sie in Basiskreisen gefordert werden: Abschaffung des Zölibats, Frauenpriestertum, Liberalisierung der Sexualmoral beispielsweise. Kein Wort dazu. Kirchenreform, das wird immer deutlicher, besteht für Franziskus nicht darin, dass die Amtskirche vorangeht und die Gläubigen folgen, sondern dass sie ihren eigenen Auftrag als Getaufte ernst nehmen.

In Japan, sagt er gerne, seien Missionare einmal verboten gewesen. „Als sie nach zwei Jahrhunderte zurückdurften, fanden sie die einstigen Gemeinden wieder vor, alle getauft, alle christlich verheiratet, der Glaube intakt. Ohne jeden Priester. Nur weil die Laien den Mut aufgebracht haben, die Sache weiterzutreiben.“