Ankara. . Nach dem blutigen Anschlag in der Südtürkei wurden neun Männer festgenommen. Sie sollen Verbindungen zum syrischen Geheimdienst haben. Wie die Türkei auf die Anschläge reagieren wird, ließ Ankara zunächst noch offen.

Bis zum Samstagmittag war Reyhanli eine betriebsame Kleinstadt im Süden der Türkei. Hier kommt man durch, wenn man über die nur wenige Kilometer entfernte Grenze ins syrische Aleppo will – oder wenn man, als Syrer, vor dem Bürgerkrieg in die Türkei flüchtet. Jetzt gleicht der Ort einer Kriegszone. Zwei Autobomben, die am Samstagmittag innerhalb von 15 Minuten mitten im belebten Zentrum detonierten, rissen mindestens 46 Menschen in den Tod und richteten verheerende Zerstörungen an.

Am Sonntag nahm die Polizei neun Tatverdächtige fest – türkische Staatsbürger. Regierungssprecher Hüseyin Celik sagte, „Verräter“ innerhalb der Türkei seien für die Tat verantwortlich. Die Festgenommenen sollen die Anschläge „teilweise gestanden“ haben, so türkische Medien.

Das Zentrum Reyhanlis bot nach den Anschlägen ein Bild völliger Verwüstung. Wo eines der mit Sprengstoff vollgepackten Autos gestanden hatte, klaffte ein tiefer Krater. Eine der Autobomben detonierte vor einem Gebäude der Stadtverwaltung, die andere vor einem Postamt. Die Straßen waren mit Trümmern übersät, Gebäude brannten völlig aus oder stürzten ein. Von den 140 Verletzten befanden sich am Sonntag noch 26 in kritischem Zustand.

Spur scheint zu Assad zu führen

Einer der Festgenommenen soll ein Sprengstoffauto abgestellt haben. Bei der Suche nach den Hintermännern haben die Ermittler offenbar erste Erkenntnisse gewonnen. Die Spur scheint zum Regime des syrischen Diktators Assad zu führen: „Wir haben herausgefunden, dass die Täter Beziehungen zum Geheimdienst in Syrien haben“, sagte Vizepremier Atalay. Die Zeitung Yeni Safak berichtete, hinter den Anschlägen stecke eine von dem türkischen Linksterroristen Mihrac Ural geführte regimetreue Miliz. Ural floh 1980 aus der Türkei nach Syrien, wo er Asyl erhielt. Er soll enge Verbindungen zum syrischen Geheimdienst haben. Syrien wies den Verdacht umgehend zurück.

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Die Grenzprovinz Hatay, in der Reyhanli liegt, ist seit den 1920er Jahren ein Zankapfel zwischen Syrien und der Türkei. 1939 wurde sie der Türkei zugeschlagen, Syrien erhebt aber bis heute Ansprüche auf Hatay. Die Türkei und Syrien hatten im letzten Jahrzehnt zielstrebig an einer Verbesserung ihrer gespannten Beziehungen gearbeitet und dabei große Fortschritte gemacht. Aber schon früh nach Beginn des Aufstandes gegen das Assad-Regime schlug sich die türkische Regierung auf die Seite der Opposition und forderte Assads Rücktritt. Die Türkei hat inzwischen rund 300 000 syrische Flüchtlinge aufgenommen, etwa 25 000 leben in Lagern bei Reyhanli.

Die Grenzprovinz Hatay, in der Reyhanli liegt, ist seit den 1920er Jahren ein Zankapfel zwischen Syrien und der Türkei.
Die Grenzprovinz Hatay, in der Reyhanli liegt, ist seit den 1920er Jahren ein Zankapfel zwischen Syrien und der Türkei.

In den vergangenen Wochen hat die türkische Regierung ihre Kritik an Assad weiter verschärft: Außenminister Ahmet Davutoglu warf dem Diktator „ethnische Säuberungen“ vor, Ministerpräsident Tayyip Erdogan sagte, Assad habe mit dem Einsatz chemischer Waffen „eine rote Linie überschritten“. Auch die Nationale Syrische Koalition, die ihren Exilsitz in Istanbul hat, macht das Regime in Damaskus für die Anschläge verantwortlich. Sie sieht darin den Versuch, „einen Keil zwischen Türken und Syrer zu treiben“.

Reaktion der Türkei ist noch offen

Wie die Türkei auf die Anschläge reagieren wird, war am Sonntag noch offen. Außenminister Davutoglu sagte in Berlin, wo er sich zu einem Besuch aufhielt: „Niemand sollte unsere Macht auf die Probe stellen“. Die türkischen Sicherheitskräfte würden „alle nötigen Maßnahmen ergreifen“.

Ob auch an einen Militäreinsatz gedacht ist, ließ Davutoglu dabei noch offen.