Washington. Laut einem Bericht der “New York Times“ hat der US-amerikanische Auslandsgeheimdienst CIA jahrelang das Afghanische Präsidialamt mit Bargeld in zweistelliger Millionenhöhe geschmiert. Mit den geheimen Zahlungen wollte der Geheimdienst sich Einfluss auf Präsident Hamit Karsai und seine Mitarbeiter erkaufen.

Um die Widersprüchlichkeit der US-Politik in Afghanistan zu illustrieren, griff der renommierte Journalist Ahmed Raschid vor kurzem bei einer Lesung in Washington zu einem Vergleich, der das Publikum raunen ließ. „Auf der einen Seite will Washington die Korruption abschaffen, auf der anderen Seite stehen alle im Präsidialamt von Kabul auf der Lohnliste der CIA. Das ist eine lächerliche Politik.“

Ein aktueller Bericht der „New York Times“ gibt dem erfahrenen  Afghanistan-Kenner Recht. Danach hat der amerikanische Auslandsgeheimdienst binnen der vergangenen zehn Jahre an ranghohe Mitarbeiter von Präsident Hamid Karsai Bargeld in hoher zweistelliger Millionenhöhe übergeben, um sich Einfluss auf die Kabuler Regierungspolitik zu sichern. Mal kam das Schmiergeld in Plastiktüten, mal in Koffern oder Rucksäcken. Chalil Roman, bis 2005 im Kabinett Karsai, sprach gegenüber der Zeitung von „Geistergeld“ - „es kam im Geheimen, es ging im Geheimen“.

Propagandageschenk an die Taliban

Das Ziel der Zahlungen, die außerhalb der offiziellen Bücher liefen, sei allerdings nicht erreicht worden, konstatiert die „Times“. Im Gegenteil. Die Bestechungen untergraben die offizielle Washingtoner Anti-Korruptions-Rhetorik, heißt es, und konditionieren die afghanische Seite, vor jeder Entscheidung die Hand aufzuhalten. Des weiteren werde so das Ansehen der afghanischen Regierung bei der eigenen Bevölkerung weiter beschädigt und den Taliban ein kostenloses Propagandageschenk gemacht: Tenor: Karsais Regierung - eine Marionette der USA.

Weder das Weiße Haus, noch die CIA reagierten zunächst auf den Bericht, der in Sicherheitskreisen kein Erstaunen auslöste. Bereits 2010 hatten US-Medien umfangreich berichtet, dass ein einflussreiches Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates Afghanistans, Mohammed Sia Salehi, als Drehscheibe für den Schwarzgeldfluss fungiert, der bei der CIA Tradition hat.

US-Agenten reisten mit Dollarkoffern nach Afghanistan

Schon in den 80er-Jahren hatte die CIA afghanische Mudschaheddin gegen die sowjetischen Besatzer mit geheimen Geldern unterstützt. Nach dem 11. September 2001 reisten US-Agenten mit Dollarkoffern nach Afghanistan, um sich die Loyalität von Klans und Warlords zu kaufen.

„Sie bezahlen jeden, von dem sie denken, dass er ihnen helfen kann“, zitierte seinerzeit die „Washington Post“ einen anonymen CIA-Mann, der die Strategie des Geheimdienstes lax so beschrieb: „Wenn man in diesem Land verlässliche geheime Informationen will, kriegt man sie nicht von Mutter Teresa oder Marry Poppins.“

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Auch andere Staaten, darunter Pakistan, der Iran und Saudi-Arabien, pflegen nach Angaben von Sicherheitsdiensten mit erheblichen finanziellen Zuwendungen geheime Kontakte in Kabul. Wobei Teheran seine Zahlungen inzwischen eingestellt haben soll.

Dabei profitieren auch Leute, die im Westen bis heute als Kriegsverbrecher gelten. So hat der frühere Warlord Raschid Dostum, dem massivste Gräueltaten im Norden Afghanistans vorgeworfen werden, bereits eingestanden, monatlich 80.000 Dollar aus dem Präsidialbüro Karsais erhalten zu haben. In einem Interview mit dem Time-Magazin gestand der ehemalige Kriegsfürst und wichtigste Kopf der usbekischen Minderheit, dass er um eine Jahreszahlung im voraus gebeten habe - „damit ich mir mein Traumhaus bauen konnte“.

Dostum lebt noch. Karsais jüngerer Halbbruder Ahmed Wali Karsai, der seit 2001 auf der Gehaltsliste der CIA stand und in Kandahar eine mit dem Geheimdienst kooperierende Miliz unterhielt, wurde im Juli 2011 von einem seiner Leibwächter getötet.