London. Margaret Thatcher wird diesen Mittwoch mit so viel Pomp zu Grabe getragen, wie seit fast 50 Jahren kein britischer Premierminister mehr. Kritiker halten das für Propaganda. Die Leistungen der “Eisernen Lady“ bleiben heftig umstritten.
Selbst der Glockenklang von Big Ben verstummt am Mittwoch, wenn eine Pferdekutsche den Sarg von Margaret Thatcher zur feierlichen Beisetzung durch die Londoner Innenstadt zieht. Doch die pompöse Zeremonie macht viele Thatcher-Kritiker so wütend, dass 4000 Polizisten den Trauerzug vor Demonstranten sichern sollen.
Das Argument der Gegner: Ein Abschied in Würde passt nicht zu der verheerenden, politischen Bilanz der ehemaligen Premierministerin.
Als Winston Churchill starb, trug ein Boot den Leichnam auf schwarzem Samt über die Themse. Den monumentalen Bildern von einst werden die Szenen, die sich an diesem Mittwoch in London abspielen, in Nichts nachstehen.
Viel Frust - von Jasmin Fischer
Horrende Studiengebühren, Gesundheitsüberprüfungen vom Arbeitsamt bei Todkranken und eine Senkung des Spitzensteuersatzes – klingt nach Margaret Thatcher, ist es aber nicht. Die Maßnahmen stammen aus der aktuellen Legislaturperiode der britischen Regierung, deren Entscheidungen auch 23 Jahre nach Thatchers Abtritt nicht sanfter daherkommen.
Das Image der Eisernen Lady provoziert zwar, doch ihr alle Monstrositäten, fortdauernde und vergangene, in die Schuhe zu schieben, geht an den historischen Fakten genau so vorbei wie jede Heldenverklärung. In den Protesten gegen die tote Premierministerin spiegelt sich viel Frust über die aktuelle Politik.
So verständlich der Unmut ist – eine Beerdigung ist der falsche Ort und Zeitpunkt dafür.
Thatcher bekommt – auf eigenen Wunsch – zwar kein Staatsbegräbnis wie Churchill einst, doch der Unterschied ist nicht mehr als eine Formalie: Die britische Regierung plant den letzten Weg der Eisernen Lady („Operation True Blue“) mit derselben Opulenz an festlichen Requisiten.
Betont militärischen Komponente
2000 geladene Gäste aus der ganzen Welt und Millionen Fernsehzuschauer bekommen dabei einen Einblick, wie die kontroverse Politikerin in Erinnerung behalten will – nämlich als starke, erfolgreiche Kriegerin. Thatcher selbst hat die Feier mit der betont militärischen Komponente bis ins kleinste Detail festgelegt. Über 700 Soldaten flankieren auf ihren Wunsch den Sarg, Veteranen des Falkland-Krieges spielen dabei eine Hauptrolle.
Vier Kilometer ziehen sie den Sarg durch London in die Kathedrale St. Paul’s, wo der amtierende Premierminister David Cameron während der Zeremonie aus dem Johannes-Evangelium lesen wird. Thatcher hat sich für die Feier außerdem Passagen aus „Ein deutsches Requiem“ von Johannes Brahms und Kompositionen von Johann Sebastian Bach gewünscht. Queen Elizabeth und Prinz Philip werden unter den Trauergästen sein. Für Deutschland nimmt Außenminister Guido Westerwelle teil.
Thatcher-Gegner wollen dem Sarg den Rücken zuwenden
Kritiker laufen indes Sturm gegen Umfang und Art der Inszenierung. Über Facebook und andere soziale Netzwerke haben sich Hunderte zu lautstarken Protesten verabredet. Schon vor dem Attentat beim Boston-Marathon am Dienstag hat die Polizei einen Ring aus Stahl-Bögen um die Stadt gezogen; Geschäfte entlang der Route sind angewiesen, ihre eigenes Sicherheitspersonal zu verstärken und potenzielle Wurfgeschosse aus den Auslagen zu entfernen.
Aus Sorge vor Attentaten durch IRA-Dissidenten sind sämtliche Mülleimer abgeschraubt worden. Die Polizei will hart gegen jeden vorgehen, der am Rande des Trauerzuges für „Unruhe, Aufruhr oder Belästigung“ sorgt. Nur gegen den jüngsten Plan der Demonstranten sind sie machtlos: Verabredet ist, dass Thatcher-Gegner in großen Gruppen dem vorbeirollenden Sarg den Rücken kehren.
Umstrittenes Erbe
Die Proteste zeigen, wie umstritten Thatchers Erbe auch heute noch in Großbritannien ist. Von der grassierenden Europa-Skepsis über das deregulierte Banken-Viertel mit seinen Exzessen bis hin zur fest zementierten Armut des englischen Nordens sehen Kritiker in der Konservativen die Wurzel vieler aktueller Probleme. Thatcher gab ihr Amt 1990 auf.
Teure Tote
Die Kosten für die Feier bringt viele Briten in Rage: Die genaue Summe soll zwar erst nach der Beerdigung veröffentlicht werden. Nach Schätzungen schlägt die aufwändige Zeremonie jedoch mit über 11 Millionen Euro zu Buche. Nicht einmal das Begräbnis von Queen Mum im Jahr 2002 war so teuer.
„Sie hat das Land zerstört, die Produktionsstätten auf ein Drittel zusammengestrichen“, wettert etwa der Abgeordnete George Galloway, „sie hat uns in die missliche Lage gebracht, in der wir uns heute befinden.“ In der Gemeinde Corby, wo Thatcher mit der Schließung der Stahlindustrie Zehntausende Arbeitsplätze vernichtet hatte, verließen die Labour-Stadträte bei einer Schweigeminute zum Tod der Premierministerin aus Protest den Raum.
„Die Hexe ist tot“
In London trafen sich vergangenen Samstag rund 3000 Gewerkschaftler, Anarchisten und Kritiker am Trafalgar Square, um das Ende der Eisernen Lady zu „feiern“. Als Protestlied haben sich die Demonstranten den Song „Ding-Dong! The Witch Is Dead“ („Die Hexe ist tot“) aus dem Film „Der Zauberer von Oz“ ausgesucht. Der Hit aus dem Jahr 1939 kletterte Sonntag auf Platz 2 der britischen Hitparade. (Mit Material von dpa)