Duisburg/Düsseldorf. Die Verbraucherschutzminister der Länder träumen von der Hygiene-Ampel. Für Gastwirte könnte sie zum Alptraum werden. Denn das Internet vergisst keine schlechten Noten. In Duisburg und Bielefeld soll im Juni ein Modellversuch starten für ein Gaststätten-„Kontrollbarometer“.
NRW prescht bei der Hygienekontrolle von Restaurants, Cafés und Imbissbetrieben vor. Rund 2000 Gastwirte in Duisburg und Bielefeld sollen in Kürze in einem „Kontrollbarometer“ im Internet bewertet werden. Das Modellprojekt, bisher einmalig in Deutschland, startet voraussichtlich im Juni und soll zwei Jahre dauern. Schmuddelwirte müssen dann damit rechnen, mit schlechten Noten und der Ampelfarbe Rot im Internet am Pranger zu stehen.
„Etwa ein Drittel der Gastronomiebetriebe im Land wird beanstandet, seit Jahren gibt es da keine Besserung. Nun wird NRW im Alleingang in zwei Städten ein Kontrollbarometer einführen“, sagte ein Sprecher des Verbraucherschutzministeriums. Die Fäden laufen aber nicht im Ministerium zusammen, sondern bei der Verbraucherzentrale NRW (VZ). Sie wird die Behörden in Duisburg und Bielefeld auffordern, alle Daten aus den letzten Monaten über die Hygienemängel und andere Auffälligkeiten für dieses Portal zur Verfügung zu stellen. Verbraucher werden zum Beispiel auch erkennen, ob ein Gastwirt schon mal billigen Seelachs als teuren Edelfisch verkauft hat.
„Das ist ein Pranger, nichts anderes“
Es gibt zwar schon einen NRW-„Pranger“ für Hygienemängel in Restaurants, unter www.lebensmitteltransparenz-nrw.de. „Hier tauchen aber nur schwerste Mängel auf, bei denen ein Bußgeld von 350 Euro zu erwarten ist. Das neue Kontrollbarometer schafft Transparenz über die gesamte Branche und alle Verstöße“, erklärte Bernhard Burdick von der Verbraucherzentrale.
Von Zustimmung bis zu harscher Kritik reicht die Reaktion des Duisburger Gastgewerbes. Thomas Kolaric (Hotel- und Gaststättenverband Dehoga) sagt: „Das Gros unserer Betriebe arbeitet hygienisch sauber.“ Er meint Mängel im geplanten Bewertungssystem zu erkennen. So könnten zugeschmierte Dübellöcher oder der Ehering am Finger des Kochs zu Punktabzügen führen. Kein Gast werde davon krank. Wohl aber werde auf diese Weise mit Existenzen gespielt. „Das ist ein Pranger, nichts anderes. Warum kontrolliert man nicht auch Ärzte, Apotheker, Anwälte oder Journalisten?“
NRW legt vor, weil sich Bund und Länder nicht auf eine Hygieneampel einigen können. Die meisten Verbraucherschutzminister wollen diese Ampel, die CDU/FDP-geführten Wirtschaftsministerien nicht.
Grün stünde für „gut“, rot für „igitt"
NRW-Verbraucherschutzminister Johannes Remmel und die meisten seiner Amtskollegen aus den Ländern träumen schon lange von der „Hygieneampel“. Es wäre doch schön, finden sie, wenn jeder Gast sofort erkennen könnte, ob ein Gastwirt sauber arbeitet. Am Besten wäre aus der Sicht dieser Politiker eine „Ampel“ an der Ladentür . Grün stünde für „gut“, rot für „igitt".
Aber diese Ampel wird es in Deutschland so schnell nicht geben. NRW prescht nun allein nach vorn und verordnet zwei Städten, Duisburg und Bielefeld, ein „Kontrollbarometer“. Das ist eine Hygieneampel im Internet mit Punktesystem und Signalfarben. Dort soll alles stehen, was Kontrolleure an Gaststätten beanstandet haben, rückwirkend vom 1. Juli 2012.
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Alle 6 bis 18 Monate tauchen die Männer vom Amt bei den Duisburger Gastronomen auf, sagt Norbert Vreden von der städtischen Lebensmittelüberwachung. Wenn einer eine tote Maus unterm Herd hat oder Nackensteaks als edles Filet verkauft, lassen sich die Kontrolleure schnell erneut blicken.
Fingerring ist nicht erlaubt
Ein Drittel der Gastronomiebetriebe, heißt es, wird bei Kontrollen beanstandet. Aber das können auch Lappalien sein wie eine gesprungene Kachel, ein Ring am Finger des Kochs oder ein falsch ausgefülltes Formular. Bevor im Internet etwas veröffentlicht wird, haben die Betriebe ein Anhörungsrecht. Außerdem, so Norbert Vreden, sollen Duisburgs rund 1500 Gastwirte ausführlich über das neue Verfahren informiert werden. Caterer Frank Schwarz, dem von den städtischen Lebensmittelkontrolleuren soeben erst ein „überdurchschnittlich hoher Hygienestandard“ attestiert wurde, hat im Prinzip nichts dagegen, wohl aber gegen eine Folge der Technik: „Das Internet vergisst nichts.“ Die Behebung von festgestellten Mängeln müsse umgehend auch im Netz auftauchen.
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Thorsten Hellwig vom Hotel- und Gaststättenverband Dehoga in NRW hält überhaupt nichts von diesem Internetpranger. Das jetzige Kontrollsystem sei gut geeignet, um gegen schwarze Schafe in der Branche vorzugehen. „Bei schweren Verstößen muss der Laden sowieso geschlossen werden“, sagt er. Hellwig gibt auch zu bedenken, dass es in NRW keine einheitlichen Regeln für die Beurteilung gebe. Was in Duisburg ein schwerer Verstoß sei, sei womöglich in Oberhausen noch ein leichter. Daher, so Hellwig, habe „dieser Pranger gar keine Rechtsgrundlage.“
Bernhard Burdick (Verbraucherzentrale NRW) beteuert, das Land bemühe sich, einheitliche Bewertungsregeln aufzustellen. „Eine Beurteilung wird aber am Ende immer subjektiv bleiben“, so Burdick. Gastwirte würden auch nicht, wie viele befürchten, Monate oder gar Jahre mit schlechter Bewertung im Internet stehen. „Bei gravierenden Verstößen wird zeitnah nachkontrolliert.“ Wenn dann alles in Ordnung ist, gibt’s wieder grün statt rot.
Gewerkschaft will auch Arbeitsbedingungen benotet sehen
Das Kontrollbarometer in Duisburg und Bielefeld wird drei Bewertungsstufen mit Ampelfarben enthalten. Vergeben werden bis zu 80 Punkte. Bis 40 Punkte bedeuten: Anforderungen erfüllt. 41 bis 60 Punkte: Anforderungen teilweise erfüllt. 61 bis 80 Punkte sind „unzureichend“.
kEin einziger Fehler kann zum Ruin führen, wenn ein Wirt dafür am Pranger steht“, warnt Anja Weber, NRW-Bezirkssekretäring von der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten in NRW (NGG). Der beste Garant für Hygiene seien gute Arbeitsbedingungen. In die Bewertung eines Restaurants sollten diese sozialen Kriterien unbedingt mit einfließen.