Essen/Dortmund. Die Grippewelle hat NRW heftig erwischt. Die Zahl der gemeldeten Influenza-Erkrankungen liegt in diesem Jahr besonders hoch. Und der Zenit ist noch nicht erreicht. Wegen der Grippewelle kommt es in Dortmunds Krankenhäusern zu Engpässen. Patienten mussten bereits zurückgewiesen werden.
Nordrhein-Westfalen liegt flach. Eine Grippewelle hat das Land fest im Griff. „Wir gehen davon aus, dass wir eine Hochphase haben“, erklärt Mirko Kösterke, Pressesprecher beim Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen. Die Zahlen sind eindeutig. In den ersten sechs Wochen des vergangenen Jahres gab es in NRW lediglich 30 Influenza-Fälle, aktuell wurden im gleichen Zeitraum 1356 für 2013 gezählt. Allein in der sechsten Kalenderwoche des Jahres gab es 544 Fälle. Und das sind, wohlgemerkt, lediglich die „laborbestätigten Untersuchungen“, wie Kösterke betont.
„Was gerade passiert, ist ziemlich hartnäckig. Die Anzahl, aber auch die Intensität der Erkrankungen ist deutlich gestiegen“, so der Pressesprecher, der darauf hinweist, dass man schon noch zwischen einer Grippe und einem grippalen Infekt unterscheiden müsse. „Trotzdem fällt derzeit alles zusammen, wir haben eine Grippe-, aber auch eine Erkältungswelle, wie die Zahlen der Gesundheitsämter oder der niedergelassenen Ärzte belegen.“
Kliniken sind überbelegt
Wegen der Grippewelle kommt es in Dortmunds Krankenhäusern zu Engpässen. Nach Informationen der WAZ Mediengruppe wurden in Einzelfällen Patienten zurückgewiesen. Rettungsdienste sollen aufgefordert worden sein, Kranke in Kliniken außerhalb der Stadt zu bringen. Die Leiterin des Dortmunder Gesundheitsamtes, Dr. Annette Düsterhaus, bestätigte auf Nachfrage, dass es Überbelegungen gibt. Allerdings sei das für die Jahreszeit nicht unüblich. Vorsorglich hat das Gesundheitsamt alle Kliniken der Stadt aufgefordert, keine Patienten mehr abzuweisen oder in andere Krankenhäuser zu schicken. Düsterhaus: „Auch im Umland sind die Kliniken voll.“
Gefährliche Komplikationen möglich
Nach Einschätzung der Dortmunder Gesundheitsbehörde kommt in diesem Winter zu den üblichen Erkältungskrankheiten eine Influenza hinzu , die bei Erwachsenen mit hohem Fieber einhergehe und für den Körper besonders belastend sei. Bei Vorerkrankungen wie Asthma oder Herzleiden könne dies zu gefährlichen Komplikationen führen.
Dass der Grippevirus auch vor Pflegepersonal und Ärzten nicht Halt macht, setzt die Krankenhäuser zusätzlich unter Druck. Die Städtischen Kliniken mussten in einigen Abteilungen bereits externe Kräfte einsetzen, um die Lücken in der eigenen Belegschaft aufzufüllen. Notfälle würden natürlich nicht abgewiesen, hieß es. Engpässe gibt es auch im zweitgrößten Krankenhaus, dem Johannes-Hospital.
Einen Anstieg von 25 Prozent bei den Krankmeldungen meldete jüngst auch die AOK Nordwest. Das mache allein bei den AOK-Versicherten in Dortmund rund 600 zusätzliche Krankmeldungen aus. Im Vergleich zum Vorjahr sei der Krankenstand in den Betrieben deutlich erhöht.
Temperaturen steigen wieder an
Die Krankheitswelle schlägt sich logischerweise in den Unternehmen der Region nieder. „Normalerweise verteilt sich die Anzahl der Krankmeldungen auf mehrere Monate, die Signifikanz im Februar ist in diesem Jahr schon auffällig“, sagt Nils Hoffmann, Pressesprecher der Essener Verkehrs-AG. Dass man mit der Situation trotzdem gut klarkommt, hat einen einfachen Grund: Im Februar wird weniger Urlaub genommen, weshalb sich die Ausfälle gut auffangen ließen, so der EVAG-Sprecher.
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Zahlen für Schulen und Kindergärten sind von der NRW-Bezirksregierung nicht zu bekommen. Einzelne Stichproben bestätigen jedoch den Trend. So ist zum Beispiel beim Verein für Kinder- und Jugendarbeit (VKJ), der in Essen 15 Kitas betreibt, der „gefühlte Krankenstand“ hoch, wie VKJ-Sprecher Andreas Breyer erklärt.
Auch wenn die Temperaturen ab Montag wieder steigt, sieht das Essener Gesundheitsamt noch keine Trendwende. Im Gegenteil. „Wir sind noch nicht über den Zenit“, sagt der Ärztliche Leiter, Dr. Rainer Kundt. Der Höchststand werde wohl in der kommenden Woche erreicht. Immerhin:„Bei den Todesfällen gibt es keine auffällige Häufung“, so Mirko Kösterke vom Landeszentrum Gesundheit NRW.
Wann muss ich zum Arzt? Die wichtigsten Antworten zur Grippe
Man sitzt im Bus, in der Bahn, im Wartezimmer, im Kino oder sonst an einem anderen Ort, an dem sich Menschen versammelt haben, es hustet jemand, und schon hat man „eine Wolke von Viren, die mindestens drei Meter fliegen“, sagt Mirko Kösterke, Pressesprecher beim Landeszentrum Gesundheit Nordrhein-Westfalen. „Das ist hochansteckend“, warnt Kösterke.
Wie ist die aktuelle Situation?
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Deutschland hat Fieber, sagen die Daten des Robert-Koch-Institutes. Und sie sagen darüber hinaus, dass es NRW besonders hart erwischt hat. Wie ernst die Situation an Rhein und Ruhr tatsächlich ist, lässt sich allerdings nur schwer beurteilen. Eben weil lediglich die Daten von den härteren Fällen erhoben werden. Erst wenn ein Arzt eine Probe gemacht hat und diese in einem Labor positiv gestestet wurde, landet der Fall auch in der Statistik. Über Schnupfen, Husten, Heiserkeit, über jene Erkältungswelle, die im Windschatten der Virusgrippe im Land grassiert, lässt sich demnach lediglich spekulieren. Allerdings weiß man, dass die Zahlen von Erkältungen mit jenen von heftigen Grippen korrespondieren. „Im Endeffekt fällt alles zusammen, und wir haben dagegen zu kämpfen“, so Mirko Kösterke.
Habe ich eine Grippe oder nur eine Erkältung?
Wenn sie kommt, dann heftig. Die Grippe beginnt mit hohem Fieber, und sie „kommt immer sehr plötzlich“, erklärt Dr. Rainer Kundt, Ärztlicher Leiter des Gesundheitsamtes Essen. Typische Symptome zum hohen Fieber: Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Gliederschmerzen und oft genug noch ein trockener Husten. Eine Erkältung (ein grippaler Infekt) baut sich dagegen zumeist langsam auf, mit Schnupfen, Husten, Heiserkeit und ist vergleichsweise schnell überstanden.
Wann muss ich zum Arzt?
Mit mehr als 39 Grad Fieber sollte man mit seinem Hausarzt sprechen. Wie immer gilt: Bei Beschwerden lieber einen Arztbesuch machen, als ein Risiko eingehen. „Wer sich richtig krank fühlt, sollte auch wirklich für ein paar Tage ins Bett gehen“, betont Dr. Rainer Kundt. Denn selbstverständlich ist Vorsicht ist geboten! Eine verschleppte Grippe ist besonders gefährlich - sie kann schlimme Konsequenzen nach sich ziehen: von der Lungen- bis zur Herzmuskelentzündung.
Lüften, Ingwertee, Hände waschen So können Sie sich schützen
Wie kann ich mich schützen?
Die wichtigste Regel ist, da sind sich alle Experten vollkommen einig: Hände waschen, Hände waschen, Hände waschen! 20 bis 30 Sekunden mit Seife zwischen den Fingern reichen aus. „Man sollte unbedingt auf die Hygiene achten“, fordert Mirko Kösterke, der davor warnt, sich mit den Händen ins Gesicht zu fassen, wenn man vermeiden will, dass die Viren über Mund, Augen oder Nase in den Körper gelangen. Das Robert-Koch-Institut rät obendrein: In Räumen sollte man regelmäßig lüften. Drei- bis viermal täglich für zehn Minuten. Das verringere die Zahl der Viren in der Luft und schütze davor, dass Mund- und Nasenschleimhäute austrocknen. Und auch Rainer Kundt hat noch einen Ratschlag: Bitte nicht in die Hände niesen, sondern in den Ellbogen. Grundsätzlich plädiert Kundt für vitaminreiches Essen, das stärke die Abwehrkräfte. Sein persönlicher Geheimtipp: Ingwertee trinken.
Wer ist besonders gefährdet?
Laut Kassenärztlicher Vereinigung Nordrhein müssen ältere Menschen ab 60 Jahren besonders aufpassen. Gefährdet sind vor allem Menschen mit chronischen Erkrankungen, Diabetiker oder Bewohner von Alten- und Pflegeheimen. Laut Kösterke vom NRW-Landeszentrum Gesundheit seien zurzeit allerdings überpropotional viele Kinder und Erwachsene zwischen 35 und 59 erkrankt.
Helfen Medikamente?
Wenn die Grippe richtig zugeschlagen hat, helfen Medikamente kaum noch. Antibiotika wirken gegen Bakterien, nicht gegen die Virusgrippe. Zur Linderung der Schmerzen können Schmerzmittel eingenommen werden. Gegen Husten helfen Säfte.
Ist eine Impfung empfehlenswert?
Viele Experten wie Mirko Kösterke plädieren dafür, sich impfen zu lassen. Aber es gibt auch Gegenstimmen. „Lohnt nicht mehr“, glaubt Rainer Kundt. Bis der Körper einen vollständigen Immunschutz aufgebaut habe, vergingen rund 14 Tage. Aber in zwei Wochen sei das Gröbste wohl überstanden. Der Amtsarzt empfiehlt, sich ab kommendem August wieder gegen die Grippe impfen zu lassen. Die Impfung wirke ungefähr ein halbes Jahr.